22.01.2013

Twitter in Europa demnächst kostenpflichtig? - Brüsseler Diskussion um Einwilligungsverbote

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

"Wenn der Benützer der Weiterverarbeitung der Daten nicht zustimmt, muss Facebook das entweder akzeptieren oder sagen, dass der Dienst dann nicht mehr betrieben werden kann, und von seinen Kunden Entgelt für die Nutzung verlangen." - Dies hat der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht in einem Interview kürzlich gesagt ("Datenschutz: 'Dann soll Facebook Geld verlangen'", Die Presse.com v. 17.1.2013). Dabei hat Albrecht geflissentlich verschwiegen, dass es nach seinen Vorstellungen die "Weiterverarbeitung" auch dann verboten sein soll, wenn der Facebook-Nutzer eine solche "Weiterverarbeitung" ausdrücklich wünscht.

Einwilligungsverbot für Facebook

Anlass des Interviews war der dicken Berichtsentwurf zu der geplanten DS-GVO, den Albrecht kurz zuvor veröffentlicht hatte (Draft Report on the General Data Protection Regulation by Committee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs, 2012/0011 (COD) v. 17.12.2012). In dem Berichtsentwurf schlägt Albrecht ein Einwilligungsverbot vor für Unternehmen, die über "beträchtliche Marktmacht" verfügen (Änderungsantrag 20, Draft Report, Seite 19). Träte ein solches Einwilligungsverbot in Kraft, müsste Facebook selbst dann auf eine "Weiterverarbeitung der Daten" verzichten, wenn Nutzer mit einer solchen "Weitervereinbarung" einverstanden sind. Facebook bliebe nichts anderes übrig, als seine europäischen Kunden zur Kasse zu bitten und Nutzungsgebühren zu erheben.

Einwilligungsverbot für marktmächtige Online-Anbieter

Was für Facebook gilt, würde auch für eine Vielzahl anderer Online-Anbieter gelten, die über "Marktmacht" verfügen: Apple, Google oder auch Twitter. All diese Dienste würden zwangsläufig kostenpflichtig - europaweit. Twitter könnte Tweets, "Ereignisse" und andere (Werbe-)Nachrichten nicht mehr "maßschneidern" und sie würde als entgeltfreie Dienste nicht mehr funktionieren.

Einwilligungsverbot für alle bei "Online-Quellen"

Selbst Unternehmen, die keineswegs marktmächtig sind, wären von dem Einwilligungsverbot betroffen. Auch ohne Marktmacht soll das Einwilligungsverbot nach Albrechts Vorstellungen gelten, wenn es um eine "Online-Quelle" geht, in die der Nutzer "erhebliche Zeit investiert hat". Eine Formulierung, die unausgegoren anmutet. Welche "Online-Quellen" sich Albrecht genau vorstellt (Blogs? Gaming-Plattformen? Soziale Netzwerke?), ist unklar.

Datenschutz und Kostenloskultur

Daten als Entgelt für die Nutzung von Online-Diensten: Google hat dieses Geschäftsmodell vor mehr als einem Jahrzehnt erfunden. Wir Nutzer haben uns daran gewöhnt, "kostenlos" zu bloggen, zu suchen, zu posten, zu twittern, zu lesen und zu spielen. Finanziert werden die Dienste dadurch, dass unser "Surfverhalten" systematisch ausgewertet wird, um zielgenaue Werbung zu schalten.

Die gezielte und umfassende Auswertung des Nutzerverhaltens greift massiv in die Privatsphäre ein. Dies lässt sich nicht ernsthaft leugnen. Ebenso wenig kann man jedoch darüber hinwegsehen, dass die "Kostenlos-Dienste" sehr erfolgreich und beliebt sind. Internetnutzer gehen mit "ihren Daten" freigiebig um. Wenn Nutzer vor der Alternative "Geld oder Daten" stehen, öffnen sie lieber die Gardinen als die Geldbörse.

Datenschützern ist die "Kostenlosmentalität" vieler Internetnutzer ein Dorn im Auge. Und wer die "Kostenloskultur" bekämpfen möchte, muss sie verbieten. Albrechts Vorschlag weitreichender Einwilligungsverbote ist daher konsequent.  Schade nur, dass es an Bekennermut fehlt. Wer Twitter oder Facebook "maßgeschneiderte Werbung" vollständig verbieten möchte, sollte dies auch in aller Deutlichkeit sagen.

 

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