11.08.2013

Unerwartete Konsequenzen des Fraport-Urteils

Portrait von Helmut Redeker
Helmut Redeker

Nur langsam kommt eine Passage aus dem Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06) in das Bewusstsein der Fachöffentlichkeit. Ohne konkreten Bezug zum zu Grunde liegenden Fall, der Demonstrationen im Frankfurter Flughafen betraf, hat das BVerfG nämlich die Grundrechtsbindung privater Telekommunikationsanbieter derjenigen staatlicher Behörden und Unternehmen nahezu gleichgestellt. Im Urteil heißt es nämlich in Randziffer 59:

"cc) Die unmittelbare Grundrechtsbindung öffentlich beherrschter Unternehmen unterscheidet sich somit grundsätzlich von der in der Regel nur mittelbaren Grundrechtsbindung, der auch Private und Privatunternehmen - insbesondere nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung und auf der Grundlage von staatlichen Schutzpflichten - unterworfen sind. Während diese auf einer prinzipiellen Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bürger beruht, dient jene dem Ausgleich bürgerlicher Freiheitssphären untereinander und ist damit von vornherein relativ. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wirkung der Grundrechte und damit die - sei es mittelbare, sei es unmittelbare - Inpflichtnahme Privater in jedem Fall weniger weit reicht. Je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung kann die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates vielmehr nahe oder auch gleich kommen. Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die - wie die Sicherstellung der Post- und Telekommunikationsdienstleistungen - früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren." [BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06, Rz. 59 (Hervorhebung hinzugefügt)]

Faktisch unmittelbare Grundrechtsbindung für private Unternehmen

Es gilt nach diesen Ausführungen zwar für diese Unternehmen im Grundsatz auch nur eine mittelbare und keine unmittelbare Grundrechtsbindung – faktisch unterliegen sie aber wie der Staat und die von diesem unmittelbar kontrollierten Unternehmen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.

  • an Fernmeldegeheimnis

Dies gilt zunächst für das Fernmeldegeheimnis (vgl. dazu die "Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch die Ausschüsse Erbrecht, Informationsrecht und Verfassungsrecht zum Digitalen Nachlass", Stellungnahme Nr. 34/2013, Juni 2013, S. 69ff.). Private Telekommunikationsunternehmen sind genauso wie der Staat verpflichtet, über das Telekommunikationsverhalten ihrer Nutzer nichts zu verraten.

§ 88 TKG sieht das schon länger vor. Dass dieser Schutz gegenüber staatlichen Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten nicht wirklich wirksam ist, ist schon länger bekannt und galt schon zu der Zeit, als diese Dienste noch staatlich waren.

§ 110 TKG sieht sogar ausdrücklich vor, dass die Telekommunikationsunternehmen solche Überwachungsmaßnahmen ermöglichen müssen, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind.

Heute fallen hier nur – der Digitalisierung sei Dank – sehr viel mehr Daten an. Zu analogen Zeiten konnte z.B. nach Ende der Verbindung schon aus technischen Gründen niemand mehr feststellen, wer mit wem telefoniert hat. Das ist heute anders. Auch die Aufzeichnung von Kommunikationsinhalten ist einfacher geworden. Damit können mehr Daten erfasst und gespeichert werden.

All diese Daten werden aber durch § 88 TKG geschützt – so gut, wie dies früher durch Art. 10 GG gegenüber dem Staat geschah.

  • an Meinungs- und Informationsfreiheit

Der Grundrechtsschutz gilt aber auch für die Meinungs- und Informationsfreiheit – und zwar sowohl für den Endnutzer als auch für die Anbieter von Inhalten im Internet. Auch hier dürfen Telekommunikationsanbieter nur dann eingreifen, wenn der Staat das kann. Das hat Bedeutung für die Frage der Netzneutralität:

 

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