Update: Verkehrsminister streicht Vorratsdatenspeicherung aus PKW-Maut-Gesetz
Die PKW-Maut soll nun doch ohne eine Vorratsdatenspeicherung auskommen: Der aktuelle Gesetzentwurf für das "Infrastrukturabgabengesetz" vom 8.12.2014 - Fassung zur Stellungnahme für Verbände und Bundesländer - sieht vor, dass Fotos und Daten gelöscht werden, sobald festgestellt wurde, dass die Maut bezahlt ist. Der ursprüngliche Entwurf hatte - entgegen den öffentlichen Beteuerungen des Ministers - vorgesehen, dass Fotos, Kennzeichen, Ort und Zeit der Straßenbenutzung u.a. erst einen Monat nach Ende des Maut-Jahres gelöscht werden (siehe Blog-Beiträge vom 1.11.2014 und 5.11.2014). Die massive öffentliche Kritik zeigte nun Wirkung.
Der ursprüngliche Entwurf
Nach dem ursprünglichen Entwurf sollten die "Kontrolldaten" - also "1. Bild des Kraftfahrzeugs, 2. Name und Anschrift der Person, die das Kraftfahrzeug führt, 3. Ort und Zeit der Benutzung von Straßen im Sinne des § 1 Absatz 1 [Autobahnen und Bundesstraßen, Anm. d. Autors], 4. Kennzeichen des Kraftfahrzeugs" gespeichert bleiben, bis ein Antrag auf nachträgliche Erstattung der Maut nicht mehr zulässig ist, also bis zu einem Monat nach Ende des "Entrichtungszeitraums" (Maut-Jahrs). Den Gesetzentwurf hatte ich in meinem Blog-Beitrag vom 1.11.2014 im Einzelnen analysiert. Der Umstand, dass nach dem Gesetzentwurf eine bis zu 13-monatige Vorratsdatenspeicherung kompletter Bewegungsprofile möglich werden sollte, hatte eine Welle des Protests ausgelöst.
Die Verbesserungen
Aus Sicht des Datenschutzes enthält der neue Gesetzentwurf eine Reihe von Verbesserungen: So dürfen nicht mehr pauschal in allen Fällen Name und Anschrift des Fahrers gespeichert werden, sondern nur noch bei Vor-Ort-Kontrollen. Die Überwachung darf zudem nur noch stichprobenhaft erfolgen. Das Foto des Autos darf die Fahrzeuginsassen nicht mehr erkennen lassen.
Keine umfassende Vorratsdatenspeicherung mehr
Vor allem aber enthält der neue Gesetzentwurf keine umfassende Vorratsdatenspeicherung mehr. § 12 Abs. 2 InfrAG-E (8.12.2014) lautet jetzt schlicht:
"Bilder und Daten, die im Rahmen der Kontrolle nach § 10 Absatz 2 Satz 1 erhoben und gespeichert wurden, sind unverzüglich zu löschen, sobald feststeht, dass die Infrastrukturabgabe entrichtet worden ist."
Es erfolgt also nur noch der (typischerweise automatische, § 10 Abs. 4 Satz 2 InfrAG-E (8.12.2014)) Abgleich des erfassten Kennzeichens mit den Daten aus dem "Infrastrukturabgaberegister". Wenn die automatische Kennzeichenerfassung erfolgreich war, müsste also typischerweise eine sofortige Löschung erfolgen. Ist eine manuelle Auswertung des Fotos erforderlich, verzögert sich die Löschung naturgemäß - für die manuelle Auswertung sieht das Gesetz keine Fristen vor.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte in § 12 Abs. 2 noch vorgesehen:
"Die Daten nach § 10 Absatz 2 Satz 1 sind unverzüglich zu löschen, 1. sobald feststeht, dass die Infrastrukturabgabe entrichtet worden ist und ein Erstattungsverlangen nicht zulässig ist oder ein Erstattungsverlangen nicht fristgerecht gestellt worden ist, 2. sobald ein eingeleitetes Erstattungsverfahren abgeschlossen ist."
Da ein Erstattungsverlangen bei Jahres-Vignetten (auch nach dem aktuellen Entwurf) bis zu einem Monat nach Ende des Maut-Jahres zulässig ist (§ 9 Abs. 3 Nr. 2), bedeutet diese Änderung den Verzicht auf die ursprüngliche, bis zu 13-monatige Vorratsdatenspeicherung der PKW-Bewegungsprofile.
Was noch offen ist
Auch der neue Gesetzentwurf adressiert allerdings das Problem der Datensicherheit nicht. Das ist zwar nicht mehr ganz so kritisch, weil nicht mehr standardmäßig von fast allen Autos langfristige Bewegungsprofile gespeichert werden und man auf die allgemeinen datenschutzrechtlichen Anforderungen abstellen kann. Dennoch wäre es sinnvoll, nur mit Hash-Werten der Nummernschilder zu arbeiten, statt automatisch alle Klardaten abzufragen. Würden die Hash-Werte mit Gültigkeitszeitraum an alle Kontrollstellen verteilt, müssten die brisanten Bewegungsdaten nur noch in den Fällen übertragen werden, in denen die automatische Kennzeichenerfassung versagt. Zudem ist fraglich, warum deutsche Nummernschilder überhaupt zentral geprüft werden sollen, wenn ich ohne Maut-Einzugsermächtigung nicht mal mein Auto anmelden kann? Die wenigen Fälle, in denen eine Lastschrift zurückgeht oder die Einzugsermächtigung widerrufen wird, lassen sich auch über die (ohnehin erfolgende) Zwangsvollstreckung regeln. Im Gesetzentwurf fehlt auch eine Regelung, die den privaten Betreiber verpflichtet, die nicht automatisch erkannten Kennzeichen unverzüglich manuell auszuwerten - und nicht beispielsweise ein Jahr damit zu warten. Dass alle Daten - bei Deutschen: inklusive Bankverbindung - in eine neue Datenbank kopiert werden, ist ein schwer vermeidbares Grundproblem der getrennten Erhebung der Maut. Dass die kompletten Datensätze der Mautpreller drei Jahre lang gespeichert werden sollen (§ 12 Abs. 6 InfrAG-E (8.12.2014)), mag als Strafe nachvollziehbar sein - erforderlich ist es aber sicher nicht. Und es bleibt das Grundproblem, dass die bereits aus der LKW-Maut bestehende Überwachungsinfrastruktur ausgeweitet werden soll. Denn wie die Forderungen von BKA-Chef Jörg Ziercke nach Zugriff auf die Maut-Daten zeigen, wecken vorhandene Daten und technische Möglichkeiten Begehrlichkeiten.
Außerhalb des Datenschutzes
Mit dem Verzicht auf die Bewegungsdaten-Vorratsspeicherung ergibt sich jetzt das rein praktische Problem, dass sich jeder Halter die Maut mit der Begründung erstatten lassen kann, er sei nicht auf Bundesfernstraßen unterwegs gewesen. Zwar ist theoretisch der Halter in der Beweispflicht - aber der Negativbeweis lässt sich nicht führen, so dass die vorgesehene Rechtsverordnung (§ 9 Abs. 5) und die Gerichte wohl kaum hohe Anforderungen stellen werden. Dass die Angaben im Erstattungsantrag nicht stimmen, lässt sich nicht nachweisen - Lügen bleibt also straffrei. Es mag abgaben- und europarechtliche Probleme geben, die Maut als (für die konkrete Nutzung zu zahlende) Gebühr zu gestalten und nicht als (für die Nutzungsmöglichkeit zu zahlende) Abgabe. Aber vielleicht zeigt das Problem der Erstattungsmöglichkeit, dass das Gesamtkonzept (einschließlich der "Flatrate") konstruktive Schwierigkeiten aufweist. Mal abgesehen von der verkehrspolitischen Sinnhaftigkeit - ganz besonders, wenn die Maut am Ende gar noch zu einer Subvention des Autoverkehrs wird: Hohen Kosten für Einrichtung und Betrieb des Systems stehen bei deutschen Autofahrern wegen der gleich hohen Senkung der Kraftfahrzeugsteuer keine echten Einnahmen gegenüber - und wegen der Erstattungsmöglichkeit für die Maut gar effektiv Mindereinnahmen. Aber das passt irgendwie, schließlich zahlen die LKW ja auch nicht ansatzweise, was sie an Straßenschäden verursachen.
Siehe auch
Das Maut-Gesetz analysiert: 13 Monate Vorratsdatenspeicherung auf den Straßen
Update: Das Maut-Gesetz analysiert: Es bleibt bei 13 Monaten Vorratsdatenspeicherung auf den Straßen