Urheberrecht bizarr: Stern ./. FDP
Die Zeitschrift "Stern" hat beim LG Hamburg nach eigenen Angaben eine einstweilige Verfügung gegen die FDP erwirkt. Es geht um Recherchen der Zeitschrift über die Strukturten und Finanzen der FDP, um die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung und eine angeblich verdeckte Spende (Hans-Martin Tillack, "Wie sich die FDP verrechnete", stern.de v. 12.11.2012).
Hintergrund
Der "Stern" hatte den Liberalen einen Katalog mit 21 Fragen übersandt. Die Partei beantwortete die Fragen, indem sie Fragen und Antworten veröffentlichte - online mit der Überschrift "Wir stehen für Transparenz".
Eine Art von Transparenz, die gar nicht nach dem Geschmack des "Stern" ist. Der "Stern" bemühte das Urheberrecht an den Fragen und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Die FDP hat Widerspruch angekündigt ("FDP legt Rechtsmittel gegen stern-EV ein", MEEDIA v. 13.11.2012).
Bemerkenswert an diesem Vorgang ist die Zweckentfremdung des Urheberrechts. Denn natürlich geht es den Journalisten nicht um ihr geistiges Eigentum an den Fragen. Stern-Redakteur Tillack verteidigt das gerichtliche Verfahren sogar ausdrücklich damit, dass die Fragen doch einen ganz "vorläufigen", unausgereiften Charakter hätten:
"Die Fragen spiegeln unseren vorläufigen Kenntnisstand. Derartige journalistische Mailanfragen sind also nicht für die digitale Ewigkeit formuliert."
"Recht auf Vergessen" oder "freie Bearbeitung"?
Reklamiert wird also ein journalistisches "Recht auf Vergessen" und damit genau das Recht, das die Presseverlage immer vehement leugnen, wenn Löschungen und Anonymisierungen in ihren Online-Archiven verlangt werden. Mit Urheberrecht hat all dies herzlich wenig zu tun.
Das LG Hamburg wird sorgfältig prüfen müssen, ob die "vorläufigen" Fragen tatsächlich Urheberrechtsschutz haben. Sollte dies zu bejahen sein, dürfte es naheliegen, zumindest § 24 UrhG im Lichte des Art. 5 GG so großzügig auszulegen, dass das Frage-Antwort-Dokument eine freie Bearbeitung der Fragen ergibt, die den Liberalen erlaubt war.
Wenn das Urheberrecht zweckentfremdet und instrumentalisiert wird, dürfen sich Verlage und andere Rechteinhaber nicht über Legitimationsverluste wundern.