21.01.2015

Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Suchmaschinen-Autocomplete: Technisches Update

Portrait von Oliver Stiemerling
Oliver Stiemerling Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Systeme und Anwendungen der Informationsverarbeitung

Die aktuell verwendeten technischen Maßnahmen zum Schutz von Personen vor ungewünschten "Autocomplete"-Begriffen setzen diesen Schutz leider immer noch unbefriedigend um.

Der BGH hatte bereits 2013 klargestellt, dass diese automatische Verknüpfung eines Namens mit statistisch ermittelten, häufigen Suchwortergänzungen anderer Nutzer Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzen kann. Seinerzeit ging es um die Suchwortergänzungsvorschläge "Scientology" und "Betrug", die bei Eingabe des Vor- und Zunamens des Klägers in den Suchbalken von Google in der Trefferliste erschienen und eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers beinhalteten, da ihnen ein fassbarer Aussagegehalt innewohnt, zwischen dem Kläger und den negativ belegten Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammenhang.“ (BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12).

Daraufhin hatten Suchmaschinenbetreiber Filter eingebaut, die genau diese Vorgabe des Urteils umsetzen. Sucht man zum Beispiel heute (bzw. am 20.1.2015) nach „Bettina Wulff“, so erscheint ganz wie in einem anderen Rechtsstreit gewünscht:

google1

Anscheinend hat sich Google hier exakt an den Wortlaut des Urteils gehalten, indem es „bei Eingabe des Vor- und Zunamens“ die beanstandeten Begriffe nicht anzeigt.

Technische Umsetzung hängt am Wortlaut

Allerdings hat sich Google nur an den Wortlaut, nicht aber an den Sinn und Zweck des Urteils gehalten. Gibt man nämlich heute (bzw. am 20.1.2015) ein: „Wulff Ehefrau“, so erzeugt die Autocomplete-Funktion folgende Ausgabe:

google2

Diese Ausgabe ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht im Sinne des BGH-Urteils, entspricht aber seinem Wortlaut.

Das technische Grundproblem:

Das technische Grundproblem hinter dieser Umsetzung ist, dass Computer heute (noch) nicht in der Lage sind, semantische Zusammenhänge in natürlicher Sprache mit menschlicher Präzision bzw. menschlichem Hintergrundwissen zu erkennen, wie man auch an den teilweise skurrilen Ergebnissen mancher Übersetzungsprogramme bemerken kann.

Alternative Handlungsmöglichkeiten

Hier stellt sich die Frage, in wie weit man Anbieter von automatisierten Datendiensten rechtlich dazu verpflichten kann, technisch zumindest heute unmögliche Dinge umzusetzen und welche Alternativen in Betracht kommen:

  • Die eine Handlungsalternative wäre, einen ungenauen aber weitreichenden Algorithmus umzusetzen, der aber auch viele vollkommen legitime Suchergebnisse ausschließt. Dann würde man als normaler Nutzer einer Suchmaschine allerdings immer latent den Verdacht haben, dass die Suchmaschine einem relevante Suchanfragen anderer Nutzer „verschweigt“. Das wäre nicht im Sinne der breiten Nutzerschaft.
  • Auf der anderen Seite könnte man die Autocomplete-Funktion gänzlich abschalten, was auch wieder einen Nachteil für eine breite Nutzerschaft wäre.

Fazit

Es wird spannend zu sehen sein, wie die Auseinandersetzung und die technische Entwicklung in diesem Bereich weiter geht.

 

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