23.01.2014

Was man aus Redtube für den Datenschutz und die Vorratsdatenspeicherung lernen kann

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

Der Fall Redtube hat viele Facetten. Er zeigt, dass die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung verengt geführt wird. Es wird zu viel über die Speicherung und Löschung von Daten diskutiert und zu wenig über die Nutzung der Daten.

Auskunftsbeschlüsse des LG Köln

Am Anfang von Redtube standen ca. 90 Beschlüsse des LG Köln. Jeder der Beschlüsse bezog sich auf 400 bis 1.000 IP-Adressen. Insgesamt dürfte es somit um bis zu 50.000 (vermeintliche) Nutzer eines Pornoportals gegangen sein. 50.000 Nutzer wurden aus der (gefühlten) Anonymität eines Webseitenbesuchs gerissen und mit einer „Abmahnwelle“ konfrontiert (vgl. "Stellungnahme des Landgerichts Köln zu Abmahnung durch die 'The Archive AG'", Pressemitteilung des LG Köln v. 10.12.2013).

Dies alles, ohne dass es in Deutschland eine Vorratsdatenspeicherung gibt.

Eingriff in Persönlichkeitsrecht vom Gesetzgeber gewollt

Der Fall Redtube zeigt, dass IP-Adressen massive Eingriffe in Persönlichkeitsrechte auch dann ermöglichen, wenn sie nicht auf Vorrat gespeichert werden. Diese schwerwiegenden Eingriffe sind kein Zufall. Sie sind vom Gesetzgeber gewollt. Vom deutschen Gesetzgeber, der die Auskunftspflichten der TK-Provider in § 101 Abs. 9 UrhG niedrigschwellig ausgestaltet hat. Und vom europäischen Gesetzgeber, der dies in Art. 8 der Enforcement-Richtlinie vorgegeben hat.

Entscheidend ist allein die Nutzung von Daten

Warum aber wird seit vielen Jahren so vehement um Speicherfristen für IP-Adressen gestritten und so wenig über die kinderleichte Nutzung der IP-Adressen zur Identifizierung von (vermeintlichen) Rechtsverletzern?

Solange die Adressen nur gespeichert sind, beeinträchtigen sie die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen allenfalls marginal. Erst durch die Nutzung werden die Daten zu einer ernsthaften Gefahr, da sie sehr tiefgreifende Einblicke in persönliche Gewohnheiten und Verhaltsweisen geben. Solange die (anonymen) Datenspuren meiner nächtlichen Internetbesuche nur auf einem Rechner (des Providers) gespeichert sind, braucht mich dies noch nicht allzu stark zu beunruhigen. Brenzlig wird es erst, wenn die Daten mitsamt meiner Anschrift auf dem Schreibtisch eines Beamten oder „Abmahnanwalts“ liegen.

Hürden und Kontrolle der Nutzung von Daten

Für die Nutzung von IP-Adressen zur Identifizierung eines Internetnutzers muss es hohe Hürden und eine wirksame (gerichtlicher) Kontrolle geben. Für jeden Missbrauch bedarf es zudem harter Sanktionen und Strafen. Dem Missbrauch muss durch Maßnahmen der Datensicherheit entgegengewirkt werden. All dies ist in dem Urteil des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung nachzulesen (BVerfG, Urt. v. 2.3.2010 – 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08 u. 1 BvR 586/08, CR 2010, 232 m. Anm. Heun). Das BVerfG kippte das damalige Gesetz nicht wegen der Speicherungsfrist, sondern wegen der mangelhaften Ausgestaltung der Bestimmungen zur Datennutzung (!) sowie dem Fehlen wirksamer Regelungen zur Datensicherheit, zum Rechtsschutz und zu Sanktionen.

Empfindliche Datenspuren im Alltag

Der Fall Redtube eignet sich für Schlussfolgerungen, die weit über die Vorratsdatenspeicherung hinausreichen: Die Nutzung des Internet hinterlässt – nolens volens – mannigfaltige Datenspuren. Dasselbe gilt zunehmend für andere Alltagsaktivitäten. Jede Smartphone-App, immer mehr Kraftfahrzeuge und Stromzähler oder auch Kühlschränke zeichnen laufend Daten auf. Daten, die tiefe Einblicke in die Persönlichkeit ermöglichen, wenn sie Unbefugten zur Kenntnis gelangen.

Wann ist Technik intelligent?

Wenn intelligente Technik diskutiert wird, geht es viel zu oft um Erfassungs- und Speicherungsverbote und um ein verzweifeltes Festhalten am vordigitalen Grundsatz der Datensparsamkeit. Viel zu selten wird über die Nutzung der Daten gesprochen sowie über deren Sicherung gegen Missbrauch. Wenn Stromzähler intelligent werden und uns durch eine laufende Erfassung des Verbrauchsverhaltens dabei helfen, Verbrauchskosten zu senken und die Umwelt zu schonen, mutet es befremdlich an, die Erfassung und Speicherung der Daten zu limitieren. Würde gesetzlich vorgeschrieben, dass der Stromzähler im Zeichen der Datensparsamkeit nur viertelstündlich das Verbrauchsverhalten erfassen darf, so würde die Intelligenz intelligenter Technik beschränkt, ohne einem Missbrauch entgegenzuwirken. Wir brauchen stattdessen Gesetze, die eine bestmögliche Anonymisierung gewährleisten und jedwede De-Anoynmisierung mit scharfen Sanktionen bekämpfen.

Fazit

Es ist an der Zeit, weniger über „Daten“ und deren Speicherung zu diskutieren, und mehr über die Datennutzung und den Schutz der Bürger gegen missbräuchliche Nutzungen und gegen die ungewollte Identifizierung. Einer der Gründe, weshalb es gut ist für den Datenschutz, dass die europäische Reform nicht blindlings durchgepeitscht, sondern gründlich diskutiert und ausgearbeitet wird ...

 

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