28.01.2014

Wer an Daten spart, spart an Kommunikation, Fortschritt und Wachstum

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

Daten und Informationen sind beides: Quelle von Gefahren für Persönlichkeitsrechte und Rohstoff von Kommunikation, Innovation und Wissen. Eine freie, offene Gesellschaft sollte Kommunikation und Wissen fördern. „Datensparsamkeit“ ist schon aus diesem Grund einäugig und wirklichkeitsfern.

Stell' Dir vor es gibt Daten und keiner spart damit.

Anlässlich des heutigen Europäischen Datenschutztages wird im Netz heftig und kontrovers über den Datenschutz diskutiert und gestritten – auch auf den Plattformen amerikanischer Dienste wie Twitter und Facebook. Anders als in China und Nordkorea möchte niemand in Europa die Netzkommunikation ernsthaft beschneiden. Aber wie kann man noch ernsthaft von „Datensparsamkeit“ reden, wenn niemand die Konsequenzen aus einem solchen Postulat ziehen möchte?

Umgekehrte Proportionalität

Ob Krebsregister, digitale Bibliotheken oder Klimadaten: Im Zeichen von „Big Data“ ist es gerade die Datenfülle, die Chancen für Innovation, Fortschritt und Wachstum bietet. Ein Krebsregister darf nicht „sparsam“ sein, wenn es um Daten geht. Im Gegenteil: Je größer die Datenbestände, desto verlässlicher das Register. Dasselbe gilt für intelligente Stromzähler und die Telematik: Je mehr Fahrzeug- und Standortdaten erfasst und verarbeitet werden, desto präziser wird die Verkehrssteuerung.

Anonym & Pseudonym, beide ohne Eigentym

Das falsche Postulat der Datenaskese ist eng verkoppelt mit der Fehlvorstellung eigentumsähnlicher Rechte an „meinen“ Daten. Aber nein: Die Daten „meines“ Tumors gehören nicht „mir“ allein. So wie wir heute von den Erkenntnissen aus der medizinischen Behandlung unserer Vorfahren profitieren, sollte dies auch in Zukunft sein. Wenn man über Krebsregister spricht, kann es nicht um gemeinwohlwidrige „Sparsamkeit“, sondern nur um Anonymität und Pseudonymität gehen.

Die Datenschutzreform ist tot. Es lebe die Reform!

Die europäische Datenschutzreform ist vorläufig gescheitert. Den Brüsseler Akteuren gelang es nicht, ein überzeugendes Konzept für ein modernes Datenschutzrecht zu erarbeiten. Man hielt es für ausreichend, das bestehende Recht „fortzuschreiben“ und an der Verbotsstruktur festzuhalten. Innovative Ansätze gab es nur bei der detailverliebten Ausgestaltung einer europäischen Behördenstruktur. Verfassungsrichter Masing sprach jüngst sehr treffend von einem „mittelalterlichen Oberaufsichtsrecht“ [zitiert nach "Verfassungsrichter Masing plädiert für 'Chance auf Vergessen'", Heise Online v. 26.1.2014 (dritter Absatz)].

Mittelalter statt 21. Jahrhundert. Eine Reform, die diesen Namen nicht verdient und die eisern und ängstlich an (vermeintlich) „bewährten“ Grundsätzen festhalten wollte. Auch an dem Grundsatz der „Datensparsamkeit“. Zeit für einen Neubeginn des Reformprozesses.

 

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