26.05.2020

Gerechtigkeit für die Ausgleichsberechtigten (BVerfG v. 26.5.2020 – 1 BvL 5/18)

Portrait von Jörn Hauß
Jörn Hauß Fachanwalt für Familienrecht

Karlsruhe lucuta – causa finita. Das BVerfG hat zwar § 17 VersAusglG nicht für verfassungswidrig erklärt, aber dafür die Auslegung und Anwendung der Norm durch die bisherige Rechtsprechung. Wenn die Halbteilung des Kapitalwerts des ehezeitlichen Versorgungserwerbs bei externer Teilung für die ausgleichsberechtigte Person ein Versorgungsergebnis ergäbe, das die Hälfte des ehezeitlichen Anwartschaftserwerbs um mehr als 10 % unterschreitet, sei entweder durch das Gericht der Ausgleichswert zu Lasten des Versorgungsträgers zu erhöhen, oder der Versorgungsträger zur internen Teilung zu verpflichten.

Konsequenzen für die Praxis:

Seit Mitte 2017 beträgt der von der bisherigen Rechtsprechung zur Berechnung der Kapitalwerte angewandte Rechnungszins weniger als 3 %. Bei externer Teilung des ehezeitlich erworbenen betrieblichen Anrechts in die gesetzliche Rentenversicherung übersteigt daher der Rentenertrag der ausgleichsberechtigten Person den der ausgleichspflichtigen. Zuvor war das anders, Transferverluste bis 50 % waren damals nicht selten und passieren auch noch heute, wenn ein Ausgleich in die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr möglich ist, weil die ausgleichsberechtigte Person bereits Altersrente bezieht.

In der Praxis bedeutet das für Altfälle (Ehezeit bis Mitte 2017) und Rentnerscheidungen:

Verlangt in Fällen des § 17 VersAusglG der Versorgungsträger die externe Teilung, ist beim Zielversorgungsträger anzufragen, in welcher Höhe aus dem vom Versorgungsträger ermittelten Ausgleichswert für eine gleich alte Person gleichen Geschlechts wie die ausgleichspflichtige Person eine Versorgung resultieren würde. Dabei kommt es nicht nur auf die nominelle Höhe der Versorgung bei Rentenbeginn, sondern auch auf deren Dynamik an. Kurz: Das in der Zielversorgung zu erwartende Versorgungsvolumen vom Rentenbeginn bis zum Tod muss für die ausgleichspflichtige Person in Quell- und Zielversorgung nahezu identisch sein. Meist hat die ausgleichsberechtigte Person andere biometrische Risiken (Geschlecht und Alter, also Lebenserwartung und Renteneintritt) wie die ausgleichspflichtige Person. Es sei nicht zu beanstanden, wenn die nominelle Höhe der zu erwartenden Versorgung von der Quellversorgung abweicht, solange das Rentenvolumen nahezu identisch ist. Maßgeblich ist die Rentenvolumenerwartung. Unterschreitet die Rentenvolumenerwartung in der Zielversorgung die Rentenvolumenerwartung der Quellversorgung um mehr als 10 %, ist der Ausgleichswert, den der Quellversorgungsträger zu zahlen hätte, durch das Gericht entsprechend anzupassen. Will der Quellversorgungsträger das vermeiden, kann er die interne Teilung wählen.

Das alles ist nicht ganz einfach zu ermitteln:

  • Wie soll ein mit mittelmäßigen mathematischen und versicherungsmathematischen Kenntnissen ausgestatteter Jurist das zu erwartende Rentenvolumen bestimmen?
  • Was passiert, wenn die Rentenvolumenerwartung in der Zielversorgung oberhalb der der Quellversorgung liegt, kann dann der Ausgleichswert abgesenkt werden, um für beide Ehegatten eine gleiche Volumenerwartung zu begründen, oder wird der Versorgungsträger entlastet?
  • Was, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte eine „ungünstige, teure“ Zielversorgung wählt? Wird sein Wahlrecht nach § 15 VersAusglG auf die „günstigste“ Variante beschränkt?

Die erste Frage kann durch Software gelöst werden. Schon die nächste Version des Programms zur Kapitalwertkontrolle (zu finden auf der Homepage des FamRB) wird die Rentenvolumenbestimmung für die Quell- und Zielversorgung (auch aus der gesetzlichen Rentenversicherung) ermöglichen.

Über die zweite und dritte Frage müssen wir noch gemeinsam nachdenken. Aber wie so oft: Man kommt klüger, aber auch nachdenklicher aus einem Gerichtsverfahren heraus, als man hineingegangen ist.

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