Grenzen der elterlichen Antragsbefugnisse (OLG Koblenz v. 3.6.2019 – 7 UF 234/19)
Die elterliche Sorge umfasst auch die Vertretung des Kindes in einem gerichtlichen Verfahren. Während für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen § 1629 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BGB klare Regelungen enthält, ergeben sich im Zusammenhang mit kindschaftsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere bei Umgangsregelungen, in der Praxis häufig Abgrenzungsprobleme zur Aktivlegitimation eines Elternteils. Die Regel ist jedoch, dass Anträge durch den Obhutselternteil gestellt werden, ohne dass es zu einer vertieften Prüfung kommt, ob er hierzu rechtlich tatsächlich befugt ist.
Mit dieser Fragestellung hat sich das OLG Koblenz aber jetzt in einer aktuellen Entscheidung auseinandergesetzt. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Eltern sich außergerichtlich auf eine Umgangsregelung des Vaters mit den beiden gemeinsamen Kindern geeinigt. Danach war er berechtigt, den Umgang an den ungeraden Wochenenden wahrzunehmen. In den Ferien waren die Kinder nur für kurze Zeiträume bei ihm. Später begehrte die Mutter eine Neuregelung sowohl für die Wochenenden als auch die Ferienzeiten. Zur Begründung führte sie an, dass sie – folgend aus der veränderten familiären Situation einer Arbeitskollegin – nun an den geraden Wochenenden arbeiten müsse und die Betreuung der Kinder durch den Vater auch in den Ferien benötige. Das Familiengericht hat den Antrag der Mutter zurückgewiesen mit der Begründung, dass sie kein eigenes Antragsrecht zur gerichtlichen Regelung des Umgangs habe.
Das OLG Koblenz hat die Ausgangsentscheidung aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen. Zur Begründung führt der Senat aus, dass die derzeit bestehende außergerichtliche Umgangsregelung mit Zwangsmitteln nicht durchsetzbar sei, so dass sich die Mutter nicht darauf verlassen könne, dass der Vater die Kinder zu den vereinbarten Zeiten auch tatsächlich zu sich nehme. Die Ablehnung einer gerichtlichen Umgangsregelung beeinträchtige sie daher in ihren Rechten. Die Antragsbefugnis der Mutter sei auch nicht zu verneinen, da sie mit ihrem Antrag allein den Umfang und die Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 Abs. 3 BGB erstrebe, d.h. den Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Kinder, des Umgangsberechtigten und des Aufenthaltselternteils. Zudem sei die bisherige Umgangsregelung zumindest bezüglich der Ferien unvollständig. Dem Wunsch der Mutter auf Tausch der Umgangswochenenden könne nicht die Berechtigung abgesprochen werden, da sich mit Blick auf ihre Berufstätigkeit andernfalls Betreuungslücken ergäben.
Erstmals mit dem zum 1.7.1998 in Kraft getretenen KindRG und der Neuregelung des Umgangsrecht, wurde in § 1684 Abs. 1 BGB ein eigenes subjektives Recht des Kindes auf Umgang eingeführt, korrespondierend mit der Umgangspflicht der Eltern. Die bis dahin bereits in § 1634 Abs. 2 BGB a.F. statuierte Regelungsbefugnis des Familiengerichts zum konkreten Umfang der Umgangsbefugnis und der Ausübung des Umgangs wurde in § 1684 Abs. 3 BGB übernommen. § 1684 Abs. 1 BGB konkretisierte damit den verfassungsunmittelbaren Anspruch des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern, d.h. es wurde ein höchstpersönliches Recht des Kindes statuiert, so dass sich gleichermaßen auch die Frage ergab, ob ein Elternteil befugt ist, dieses höchstpersönliche Recht des Kindes im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Diese Frage hat der BGH in einer Entscheidung vom 14.05.2008 verneint und für den Fall einer bestehenden Interessenkollision die Notwendigkeit der Bestellung eines „Verfahrenspflegers“, d.h. eines Ergänzungspflegers gesehen (BGH v. 14.5.2008 – XII ZB 225/06, FamRB 2008, 237). Dieser Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der betreuende Elternteil das originäre höchstpersönliche Recht des Kindes auf Umgang im eigenen Namen, d.h. in gewillkürter Verfahrensstandschaft, geltend machen wollte.
Davon zu trennen sind jedoch jene Fallkonstellationen, in denen es gerade nicht um das Umgangsrecht des Kindes selbst nach § 1684 Abs. 1 BGB geht, sondern vielmehr um die konkrete Ausgestaltung eines dem Grunde nach unstreitigen Umgangs, insbesondere etwa, wenn eine außergerichtliche Regelung existiert und es lediglich um deren mögliche Modifikation geht, weil sich Veränderungen in der persönlichen Sphäre der unmittelbar Beteiligten, d.h. der Eltern oder des Kindes, ergeben haben und zwischen den Beteiligten hierzu keine einvernehmliche Regelung gefunden werden kann. Eine dann erforderliche gerichtliche Regelung beurteilt sich nach § 1684 Abs. 3 BGB. Für den antragstellenden Elternteil geht es in dieser Situation nicht darum, ein höchstpersönliches Recht des Kindes im eigenen Namen geltend zu machen, so dass ihm auch nicht die Aktivlegitimation für einen solchen Antrag zu versagen ist. Denn die in § 1684 Abs. 1 BGB als höchstpersönliches Recht des Kindes statuierte Umgangspflicht steht einer eigenen subjektiven Rechtsposition des Obhutselternteils nicht entgegen, wenn es nicht um die grundsätzliche Verpflichtung des anderen Elternteils zum Umgang geht, sondern um die tatsächliche Ausgestaltung des Umgangsrechts.