Grundrente und Versorgungsausgleich
Mit der Grundrente wird ein richtiger Schritt von einem leistungsbasierten zu einem sozialorientierten Rentensystem gemacht. Familienrechtler sollten sich schon jetzt mental auf Arbeit vorbereiten. Die Einführung der Grundrente schafft für hunderttausende Geschiedene Abänderungspotential im Versorgungsausgleich.
Peter Struck soll einmal gesagt haben, kein Gesetz komme so aus den Beratungen des Bundestags heraus, wie es hineingegangen sei (Gesetz zur Einführung der Grundrente). Das wird wohl stimmen, schließlich hatte der Mann Erfahrung. Deswegen sind die nachfolgenden Ausführungen mit Vorsicht zu genießen, weil sie derzeit nicht quantifizierbar sind. Ob 1,3 oder 4 Millionen Rentnerinnen und Rentner von der Reform profitieren, ob der Rentenzuschlag 400 €, etwas mehr oder weniger beträgt, kann man jetzt noch nicht sagen. Da das Projekt „Grundrente“ aber wichtig und längst überfällig ist, ist eins sicher: Auf die Familienrechtler kommt Arbeit zu.
Geht man davon aus, dass etwa jede dritte Ehe der von der Grundrente profitierenden Personen geschieden wurde, wird auch jeder dritte Versorgungsausgleich nach Inkrafttreten des Grundrentengesetzes abzuändern sein. Denn wenn eine Minirente auch nur geringfügig angehoben wird, ist der eine Abänderung rechtfertigende Wert von 5 % und 1 % der zum Ehezeitende geltenden allgemeinen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV schnell erreicht (§ 225 Abs. 2 FamFG).
Gut, dass die Grundrente den Minirentnern antragslos von der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden soll. Dumm, dass die im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtigen geschiedenen Gatten sich selbst darum kümmern müssen zu prüfen, ob sie die Abänderung des bei der Scheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs beantragen sollen oder nicht. Dabei passieren oft vermeidbare Fehler. Deshalb an dieser Stelle folgende Tipps:
- Versorgungsausgleiche nach den Versorgungsausgleichsgesetz:
Wurde der Versorgungsausgleich bereits unter Geltung des VersAusglG durchgeführt, ist die Einleitung eines Abänderungsverfahrens meist unproblematisch, weil die Abänderung immer nur das Anrecht betrifft, dessen Abänderung beantragt wird. Allerdings kann man durch einen Abänderungsantrag wegen der Neubewertung von Kindererziehungszeiten oder Einführung der Grundrente die Aufmerksamkeit des durch diese Veränderungen begünstigten Gatten auf Abänderungspotential zu seinen Gunsten beim Anderen lenken. Wer also seinen Anteil an der Grundrente des Geschiedenen fordert, sollte zuvor prüfen, ob bei ihm alles richtig ausgeglichen wurde und sich seither nichts zu seinen Gunsten verändert hat. Der frühpensionierte Beamte wundert sich da manchmal, weil eine Frühpensionierung den Ehezeitanteil erhöht. Der Gegenantrag auf Abänderung verhagelt dann oft das Ergebnis.
- Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht:
Wurde der Versorgungsausgleich nach altem Versorgungsausgleichsrecht durchgeführt, berechtigt ebenfalls die nachehezeitliche Erhöhung des Ehezeitanteils einer Versorgung zur Stellung eines Abänderungsantrags. Dessen Ergebnis ist aber deutlich tiefgreifender: Alle in der Altentscheidung erfassten Versorgungsanrechte werden dann nach neuem Recht geteilt. Bevor ein solcher Antrag gestellt wird, muss deshalb – Grundrente oder Kindererziehungszeiten hin oder her – das Gesamtergebnis des Abänderungsverfahrens genau geprüft werden.
Das geschieht am besten, indem für den die Abänderung begehrenden geschiedenen Gatten zunächst einmal neue ehezeitbezogene Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt werden. Die öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger erledigen das in der Regel zügig und kostenfrei. Anhand dieser Auskünfte können die Auswirkungen der Umstellung auf das neue Recht für die Versorgungen des potentiellen Antragstellers verlässlich geprüft werden.
Taucht in der Altentscheidung die Barwertverordnung (BarwertVO) im Text auf, ist Vorsicht geboten. Mit der BarwertVO wurden im alten Versorgungsausgleichsrecht private und betriebliche Versorgungen ‚dynamisiert‘ und dadurch der Halbteilungsgrundsatz massiv zum Nachteil des ausgleichsberechtigten Gatten verletzt. Wessen Versorgung damals mit der BarwertVO pulverisiert wurde, sollte heute nicht leichtfertig einen Abänderungsantrag stellen, nur weil Kindererziehungszeiten oder die Grundrente dem geschiedenen Gatten ein paar Euro mehr aufs Rentenkonto bringen. Das zu späte Erwachen beim Durchrechnen der Auswirkungen der Umstellung des damals durchgeführten Versorgungsausgleichs aufs neue Recht könnte – nicht nur im Karneval – zu Katerstimmung führen.
Wer heute grundrentenverdächtige Mandanten im Scheidungsverfahren betreut, sollte vielleicht die prozessuale Bremse ziehen, um nicht kurz nach Abschluss des Scheidungsverfahrens gleich wieder ein Abänderungsverfahren führen zu müssen. Bei Rentnern muss man sich das indessen versagen, weil der Bezug einer Rente oft zum berüchtigten Kapitalverzehr und damit zu Nachteilen der ausgleichsberechtigten Person führen kann.