Neues zum Wechselmodell (BGH v. 27.11.2019 – XII ZB 512/18)
In seiner Grundsatzentscheidung vom 1.2.2017 hatte der BGH erstmals zu der Frage der familiengerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells – auch gegen den erklärten Willen eines Elternteils – Stellung genommen (BGH v. 1.2.2017 - XII ZB 601/15, FamRB 2017, 136). Rund zwei Jahre nach dieser Entscheidung zeigt sich, dass damit keineswegs das paritätische Wechselmodell ohne Wenn und Aber, allein dem Antrag eines Elternteils folgend, durch gerichtliche Entscheidung umzusetzen ist. Die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen haben verdeutlicht, dass die Gerichte sehr sorgfältig prüfen, ob die erstrebte Regelung tatsächlich die am Kindeswohl orientiert beste und alternativlose Ausgestaltung der Umgangskontakte darstellt. Auch das Thesenpapier der vom BMJV eingesetzten Arbeitsgruppe zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts zeigt in seinen Ergebnissen ein sehr objektives Bild (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/102919_Thesen_AG_SorgeUndUmgangsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=2), das schon durch die Wortwahl (z.B. Betreuung statt Umgang) dafür wirbt, den Eltern zu verdeutlichen, dass sie auch nach einer Trennung weiterhin gemeinsam in der Verantwortung für ihre Kinder stehen und die Ausgestaltung dieser Verantwortungsübernahme sich an der veränderten Lebenswirklichkeit der Familien zu orientieren hat.
Dass gleichwohl Elternteile unverändert den Bereich des Sorge- und Umgangsrechts als „Spielfeld“ für nicht verarbeitete Trennungsprobleme sehen, zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 27.11.2019. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder gerichtlich zugewiesen worden. Der Umgang der Kinder mit ihrem Vater wurde aufgrund außergerichtlicher Abstimmung praktiziert. Der Vater erstrebte nun das Aufenthaltsbestimmungsrecht und hilfsweise eine Umgangsregelung im Sinn eines paritätischen Wechselmodells. Mit Blick auf seinen Hilfsantrag wurde von Amts wegen ein Umgangsverfahren eingeleitet und der Sorgerechtsantrag in einem gesonderten Verfahren geführt. Erst- und zweitinstanzlich wurde sein Begehren auf Anordnung eines exakt paritätischen Wechselmodells zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgte er dieses Ziel weiter, wobei diese allerdings auch ohne Erfolg blieb.
Der BGH hat in der Begründung seiner Entscheidung darauf verwiesen, dass zwischen einem Sorge- und einem Umgangsrechtsverfahren strikt zu trennen ist, da es sich um jeweils eigenständige Verfahrensgegenstände handelt. Da in dem zur Entscheidung stehenden Verfahren erstmals eine gerichtliche Umgangsregelung erstrebt wurde, beurteilte diese sich am Maßstab der §§ 1684, 1697a BGB. Davon zu unterscheiden ist die frühere familiengerichtliche Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an die Mutter, wobei es jedoch im konkreten Verfahren nicht um die Abänderung dieser Sorgerechtsregelung geht, so dass die strengen Abänderungsvoraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB zur Anwendung kämen.
In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung betont der BGH, dass die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells auf Seiten des Kindes eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen voraussetzt, wobei auch der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht zukommt, wesentlich ist. Stehen dem Willen des Kindes allerdings gewichtige Gründe des Kindeswohls entgegen, so überlagern sie diesen. Derartige gewichtige Gründe sah der BGH im Verhalten des Vaters, der seine Umgangszeiten wiederholt ausgedehnt und die Kinder nicht zu der verabredeten Zeit zurückgebracht hatte. Auch seine Reaktionen und Aktionen anlässlich der Übergabe belegten seine Schwierigkeit, sich von den Kindern zu lösen und sie der Mutter zu übergeben. Nach den Feststellungen des BGH vermochte es der Vater weniger als die Mutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und eigene Bedürfnisse zurückzustellen. Statt sie in der Übergabesituation zu unterstützten, filme er die Schwierigkeiten insbesondere eines Kindes, sich vom Vater zu lösen.
Mit seiner aktuellen Entscheidung wiederholt der BGH nicht nur seine grundlegenden Erwägungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt gegen den Willen eines Elternteils das paritätische Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden kann. Er zeigt in seiner Entscheidung ebenso auf, dass eine bestehende sorgerechtliche Regelung zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes durch eine (nachfolgende) Umgangsregelung überlagert werden kann, die in etwa zeitgleiche Betreuungsanteile beider Eltern schafft.