Rechtswidrige Umsetzung von Versorgungsausgleichsentscheidungen
Wird eine Ehe geschieden, wird der Versorgungsausgleich durchgeführt. In einem Fall lautete der Tenor der Entscheidung - wie üblicherweise bei der internen Teilung: „Zu Lasten der Versorgung der <ausgleichspflichtigen Person> wird zugunsten der <ausgleichsberechtigten Person> ein Anrecht in Höhe einer Monatsrente von 582 € bezogen auf den 30.9.2000 nach Maßgabe von § 36a der Versorgungsordnung begründet.“ Wenn nun – wie hier – zwischen Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung 16 Jahre liegen, fragt sich, ob die Rentenleistung des Versorgungsträgers zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung vom Versorgungsträger bei der ausgleichspflichtigen Person zurückgefordert werden kann.
Die Architektenversorgung Baden-Württemberg meinte „ja“ und kürzte die Versorgung des Versorgungsbeziehers über den im Rahmen des Versorgungsausgleichs entschiedenen Kürzungsbetrag von 582 € monatlich hinaus, um die angebliche „Überzahlung“ der Versorgung bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu kompensieren, obwohl die ausgleichsberechtigte Person nicht einmal Leistungen aus der Versorgung erhalten hatte. Sie zog einen Kapitalwert von immerhin mehr als 13.000 € dem ausgleichspflichtigen Mitglied ab. Auch argumentenreicher Protest des betroffenen Architekten bewirkte kein Einlenken. Erst Klageerhebung vor dem Verwaltungsgericht (öffentlich rechtlicher berufsständischer Versorgungsträger) brachte die abrupte Wende – ein sofortiges Anerkenntnis der Forderung.
Zu Recht: Die Ausgangsentscheidung im Versorgungsausgleich wird nach § 224 FamFG „erst mit Rechtskraft wirksam“. Bis dahin zahlt also der Versorgungsträger an den Berechtigten und mit Rechtsgrund.
Der Versorgungsträger berief sich zur Begründung seines Gesinnungswandels auf die BGH-Entscheidung zum Kapitalverzehr durch Rentenbezug (BGH v. 17.2.2016 – XII ZB 447/13, FamRB 2016, 176, 178). Nichts ist verkehrter. Denn da der Versorgungsträger auf Rentenbasis teilt und der Ausgleichswert in einer Rente angegeben ist, spielt das Problem des Kapitalverzehrs keine Rolle.
Das Verhalten dieses Versorgungsträgers ist keine Einzelfehlleistung. Versorgungsträger entdecken den Versorgungsausgleich als Geschäftsmodell zur Sanierung ihrer durch die Niedrigzinspolitik gebeutelten Versorgungssysteme. Es ist Aufgabe der Anwaltschaft, die Umsetzung der Versorgungsausgleichsentscheidungen zu kontrollieren. Der Einfallsreichtum der Versorgungsträger, aus dem Versorgungsausgleich Kapital zu schlagen, ist groß. Es wäre gut, wenn die ausgleichsberechtigten Personen die Korrektheit der Umsetzung von Versorgungsausgleichsentscheidungen prüfen ließen und Fehler der Umsetzung meldeten. Vielleicht würde es sich sogar lohnen, ein Fehlerregister aufzubauen.