Umgang, auch wenn Oma gar nicht so lieb ist ? (BGH v. 12.7.2017 – XII ZB 350/16)
Nicht nur in den Fällen gescheiteter Beziehungen geraten Kinder häufig in den Strudel der elterlichen Auseinandersetzung. Auch im Verhältnis belasteter Beziehungen zwischen Eltern und Großeltern sind sie nicht selten „zwischen den Fronten“.
Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt. Die 2006 und 2008 geborenen Kinder hatten bis etwa 2009 zu ihren Großeltern regelmäßigen Kontakt, der dann bis zum Jahr 2011 unterbrochen war. Die Wiederaufnahme der Kontakte erfolgte vor dem Hintergrund einer zwischen Eltern und Großeltern getroffenen Vereinbarung, wonach den Eltern – als Gegenleistung für die Einräumung der Kontakte – ein zinsloses Darlehen gewährt wurde. Nachdem die Großeltern sich im Sommer 2014 schriftlich an das Jugendamt wandten und dort Bedenken zur Erziehungseignung der Eltern erhoben, wurden die Umgangskontakte von den Eltern abgebrochen. Ein Umgangsrechtsantrag der Großeltern blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Auch der BGH gründete seine ablehnende Entscheidung darauf, dass vorliegend der Umgang der Kinder mit den Großeltern nicht dem Kindeswohl diene, da aus den erheblichen Zerwürfnissen zwischen Eltern und Großeltern keine positive Vermutung für die Kindeswohldienlichkeit der Kontakte hergeleitet werden könne. Zudem seien die Großeltern ersichtlich auch nicht bereit, den Erziehungsvorrang der Eltern zu respektieren, sondern stellten deren Erziehungskompetenz dadurch in Frage, dass sie sie der seelischen Misshandlung der Kinder in einem Schreiben an das Jugendamt bezichtigten.
In der Begründung des Entwurfs des KindRG vom 13.6.1996 verwies der Gesetzgeber erstmals darauf, dass in nicht seltenen Fällen Kinder überwiegend nicht von ihren Eltern, sondern von anderen Personen, insbesondere auch ihren Großeltern, betreut würden und sich hieraus folgend auch besondere Bindungen zwischen den Kindern und der Betreuungsperson entwickelten, deren plötzlicher Wegfall für das Kind schädlich sein könne (BT-Drucks. 13/4899, 47). Da bis zu diesem Zeitpunkt für Betreuungspersonen aber kein eigenständiges Umgangsrecht im Gesetz verankert war, sondern lediglich über eine zu vermeidende Kindeswohlgefährdung Umgangskontakte realisiert werden konnten, wurde im Zuge des 1998 in Kraft getretenen KindRG mit § 1685 Abs. 1 BGB Großeltern und Geschwistern des Kindes ein eigenständiges Umgangsrecht eröffnet.
In Abgrenzung zu den in § 1685 Abs. 2 BGB begünstigten Personen (sonstige enge Bezugspersonen des Kindes) müssen Großeltern und Geschwister, wenn sie ein Umgangsrecht geltend machen wollen, keine zu dem Kind bestehende sozial-familiäre Beziehung nachweisen können. Das Umgangsrecht von Großeltern und Geschwister beruht allein auf dem engen Verwandtschaftsgrad, d.h. auf der hieraus folgenden Annahme, dass sich Großeltern und Enkel regelmäßig nahestehen, zumindest jedoch der Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen beiden grundsätzlich im Interesse des Kindes steht. Vom Schutz des § 1685 Abs. 1 BGB umfasst sind allerdings auch nur die gesetzlichen Großeltern.
Das Umgangsrecht zwischen Großeltern und Enkel steht unter der grundlegenden Voraussetzung, dass es dem Kindeswohl dient. Hierzu führt § 1626 Abs. 3 BGB näher aus, dass zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang nicht nur mit beiden Elternteilen gehört, sondern gleiches auch für den Umgang mit anderen Personen gilt, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn deren Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist. Konkret bedeutet dies, dass entweder bereits bestehende Bindungen erhalten werden sollen - wenn dies der Kindesentwicklung förderlich ist - oder aber es sollen erst Bindungen hergestellt werden, so dass in diesem Fall deren Kindeswohldienlichkeit geprüft werden muss, wobei die umgangsbegehrenden Großeltern hierfür die Feststellungslast trifft.
Eine zu verneinende Kindeswohldienlichkeit haben die bislang veröffentlichten ober- und nun auch höchstrichterliche Entscheidungen dann angenommen, wenn die Umgangskontakte zwischen Enkel und Großeltern letztlich zu Loyalitätskonflikten der Kinder führten, sofern sie in bestehende massive Streitigkeiten auf Erwachsenenebene involviert wurden, oder aber dann, wenn Großeltern nicht bereit waren, den verfassungsrechtlich verankerten Erziehungsvorrang der Eltern zu respektieren, sei es indem sie während der Umgänge die Erziehung der Eltern konterkarierten oder sogar im äußersten Fall wie hier durch Information des Jugendamts auf einen – aus ihrer Sicht – inakzeptablen Erziehungsstil der Eltern verwiesen.
In der Praxisberatung sollte immer mit dem notwendigen Augenmaß und dem Blick auf die Besonderheiten des Einzelfalls das Umgangsrecht zwischen Enkel und Großeltern thematisiert werden. Nicht jede Unstimmigkeit zwischen Eltern und Großeltern muss zwingend einen Umgangskontakt der Großeltern aushebeln. Es bedarf jeweils der Prüfung, ob die Erwachsenen willens und in der Lage sind, ihre persönlichen Befindlichkeiten zurückzustellen und im Interesse, aber auch Recht des Kindes auf Kontakt mit allen Familienangehörigen, sich in der Regel ohnehin überflüssiger Kommentare und Äußerungen zu enthalten, um dem Kind einen unbelasteten Kontakt zu ermöglichen.