25.03.2016

Versorgungsausgleich BGH entscheidet zum Kapitalverzehr bei laufender Rente, BGH v. 17.2.2016 XII ZB 447/13

Portrait von Jörn Hauß
Jörn Hauß Fachanwalt für Familienrecht

Der BGH hat – endlich – die Frage der Auswirkung laufender Rentenleistung auf den im Versorgungsausgleich zu teilenden Kapitalwert entschieden. Die Lektüre der 29 Seiten lohnt und ersetzt ein Grundlagenseminar über die Finanzierung betrieblicher und privater Altersversorgungen. Wer es kürzer mag:

Der durch laufende Rentenzahlung zwischen Ehezeitende und Rechtskraft einsetzende Kapitalwertverlust einer betrieblichen oder privaten Rentenzusage geht zu Lasten der ausgleichsberechtigten Person. Die dadurch – bezogen auf das Ehezeitende – eintretende Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes kann durch § 27 VersAusglG oder den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich korrigiert werden.

 Die praktischen Konsequenzen der Entscheidung sind groß.

  1. Die anwaltliche Vertretung der ausgleichsberechtigten Person sollte alles daransetzen das Versorgungsausgleichsverfahren so schnell wie möglich durchzuführen, um die Verluste des Kapitalwerts so gering wie möglich zu halten. Bezieht die ausgleichsberechtigte Person Trennungsunterhalt ist eine Günstigkeitsprüfung zwischen Versorgungsverlust und Unterhaltsbezug vorzunehmen.
  2. Der anwaltliche Vertreter des Rentenbeziehers sollte bei länger laufenden Versorgungsausgleichsverfahren darauf dringen, zeitnah zum Entscheidungszeitpunkt eine neue Auskunft des Versorgungsträgers einzuholen um zu verhindern, dass die Nichtbeachtung der durch den Rentenbezug eintretenden Minderung des Kapitalwerts eine überproportionale Kürzung der laufenden Versorgung eintritt. Wird kein Trennungsunterhalt geschuldet, kann es ökonomisch sinnvoll sein, das Verfahren zu verzögern um der ausgleichsberechtigten Person so lang wie möglich die ungekürzte Versorgung zu erhalten.
  3. Versorgungsträger werden aus eigenem Interesse in Rentenbezugsfällen das Gericht darauf hinweisen, vor der Entscheidung eine neue Auskunft einzuholen und den voraussichtlichen Zeitpunkt der Entscheidung anzugeben. Da das Gericht diese neue Auskunft den Beteiligten zuzuleiten hat, entsteht neues Verzögerungspotential.
  4.  Verzögerungspotential entsteht auch aus der nun vermehrt vorzunehmenden Prüfung von § 27 VersAusglG und der Möglichkeiten des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs als Kompensation des halbteilungswidrigen Kapitalverzehrs zu Lasten der ausgleichsberechtigten Person. Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass die Vereinbarung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zum Wegfall der Hinterbliebenenversorgung (§25 Abs. 2 VersAusglG) führen kann. Vor leichtfertiger Flucht in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich sei daher gewarnt. Außerdem kann man eine ausgleichspflichtige Person nicht zum Vergleich zwingen. Bei der Kompensation der durch den Rentenbezug eintretenden Halbteilungsverluste sollte zu große Ängstlichkeit vermieden werden. In fast allen Rentenbezugsfällen ist auch die ausgleichsberechtigte Person in Rentennähe. Da mit Ausnahme der privaten Renten alle anderen mehr oder minder dynamisch sind, kann die Kompensation auf Rentenvergleichsebene bessere Gerechtigkeit bringen, als auf Kapitalwertebene.
  5. Und eine Bitte an alle Praktiker: Keine Panik. Bei zweijährigem Rentenbezug zerbröselt nicht der Kapitalwert. Dieser ist ausgelegt auf 17 (Männer) bis 22 (Frauen) jährigen Versorgungsbezug. Es bricht also im Normalfall keine Welt zusammen, wenn ein Verfahren zwei Jahre dauert. Liegt aber in Abänderungsfällen zwischen Ehezeitende und der Abänderungsentscheidung ein vieljähriger Versorgungsbezug und besteht ein großer Altersunterschied der Beteiligten, muss korrigierend eingegriffen werden. Zu hoffen ist, dass dies über § 27 VersAusglG immer möglich ist. Eine Tabelle mit den Barwertfaktoren für eine 'Altersrente im Bezug'  finden Sie hier: Rentenbarwerte für laufende Renten. Das Ganze kann man auch gut als Grafik verstehen: Rentenbarwerte für Blog.
  6. Übrigens: die Entscheidung zum Rechnungszins wird auch in den nächsten Tagen veröffentlicht. Die Entscheidung muss nur noch zugestellt werden.
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