16.06.2024

Anwaltsblog 23/2024: Voraussetzungen wirksamer Einreichung elektronischer Gerichtsschriftsätze durch Rechtsanwälte

Portrait von Hans Christian Schwenker
Hans Christian Schwenker Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Zum wiederholten Male innerhalb kurzer Zeit musste sich der BGH mit den sich aus § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO ergebenden Anforderungen an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments befassen (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2024 – VI ZB 22/23):

Ein die Klage teilweise abweisendes Urteil des Landgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, RA L., am 8. November 2022 zugestellt worden. Am 24. November 2022 ist aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) des RA L. Berufung beim OLG eingelegt und diese mit am 14. Dezember 2022 wiederum vom beA des RA L. aus versandtem Schriftsatz begründet worden. Beide Schriftsätze waren nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, sondern lediglich mit einer einfachen Signatur (maschinenschriftliche Namensangabe und grafische Wiedergabe der handschriftlichen Unterschrift) von RAin W. versehen, die nach den Angaben im Briefkopf angestellte Rechtsanwältin in der Kanzlei des RA L. ist. Das OLG hat die Berufung als unzulässig verworfen. Die innerhalb der Berufungsfrist elektronisch eingegangene Berufung sei nicht formwirksam eingelegt, da sie nicht den Anforderungen des § 130a ZPO entsprochen habe. Denn die Berufungsschrift sei weder qualifiziert elektronisch signiert noch von dem elektronischen Anwaltspostfach der verantwortenden Person versandt worden. Das gelte auch für die Berufungsbegründung vom 14. Dezember 2022.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die elektronische Einreichung der Berufungsschrift am 24. November 2022 nicht den Anforderungen des § 130a ZPO entsprach, so dass die Klägerin die am 8. Dezember 2022 abgelaufene einmonatige Berufungsfrist versäumt hat. Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, etwa über ein beA nach den §§ 31a und 31b BRAO (§ 130 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO), einreichen. Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht. Ein elektronisches Dokument, das - wie hier die Berufungsschrift - aus einem persönlich zugeordnetem beA (vgl. § 31a BRAO) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.

Nach diesen Grundsätzen ist die elektronisch übermittelte Berufungsschrift nicht formgerecht eingereicht worden. RAin W. hat das Dokument nicht mit einer qualifizierten, sondern nur mit einer einfachen elektronischen Signatur versehen. Dies genügte trotz der Übermittlung des Dokuments über ein beA den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO nicht, weil als Absender des Dokuments der Inhaber des beA - RA L. - und nicht die ausweislich der einfachen Signatur das Dokument verantwortende Person - RAin W. - ausgewiesen war. Allein aufgrund der Tatsache, dass das Dokument über das beA von RA L. übermittelt wurde, kann nach der Regelungssystematik des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht davon ausgegangen werden, dass er das Dokument nicht nur übermitteln, sondern auch die Verantwortung für seinen Inhalt übernehmen wollte, auch wenn er zur Vertretung der Klägerin berechtigt war. Von der auch bei einfacher Signatur durch einen anderen Rechtsanwalt bestehenden Möglichkeit, die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt des über sein beA übermittelten elektronischen Dokuments durch Anbringung seiner eigenen elektronischen Signatur zum Ausdruck zu bringen, hat RA L. keinen Gebrauch gemacht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auf die Erfüllung der nach § 130a ZPO bestehenden Anforderungen an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments nicht deshalb verzichtet werden, weil sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschriftsleistung vergleichbare Gewähr für die Identifizierung des Urhebers der Verfahrenshandlung und dessen unbedingten Willen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Dokuments zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen, ergeben würde. Entsprechende Umstände liegen hier nicht vor. Soweit die Klägerin darauf verweist, aus dem bisherigen Prozessverlauf sei klar zu erkennen, dass RAin W. die Verantwortung für die Berufungsschrift übernehmen wollte, mag RAin W. zwar durchgehend als alleinige Sachbearbeiterin in Erscheinung getreten sein. Damit steht hinsichtlich der Berufungsschrift angesichts deren Übermittlung über das beA von RA L. aber nicht zweifelsfrei fest, dass die Einreichung dieses Dokuments ihrem unbedingten Willen entsprach. Im Hinblick auf RA L. bietet der Umstand, dass er im Briefkopf der Berufungsschrift als Kanzleiinhaber und RAin W. als seine Angestellte ausgewiesen ist, keine der Unterschrift bzw. der sie gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO ersetzenden elektronischen Signatur vergleichbare Gewähr dafür, dass er die volle Verantwortung für den Inhalt des Dokuments übernehmen wollte.

 

Fazit: Nur wenn ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form signiert und diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht einreicht, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes („für“) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht (BGH Beschl. v. 28.2.2024 – IX ZB 30/23, MDR 2024, 590).

Zurück