13.07.2023

Blog powered by Zöller: Einheitliche Zuständigkeit beim VDUG/UKlaG – Gerichtskonzentrationen mit Nebenwirkungen

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Zöller-Autor Prof. Dr. Gregor Vollkommer

Beim neuen VDUG und beim UKlaG wird die Konzentration der Zuständigkeit beim OLG allgemein als gelungen angesehen, ist dadurch doch die Zuständigkeit bei Abhilfe- und Unterlassungsklagen der klagebefugten Verbände einheitlich geregelt. Nun kommt es auf die Länder an, ob sie für einen Gleichlauf sorgen.

1. Das vom Bundestag am 7.7.2023 beschlossene Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG) setzt die Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG um. Dazu wird als Art. 1 das Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (VDuG) erlassen, das eine Abhilfeklage der klagebefugten Verbände zugunsten der betroffenen Verbraucher einführt. Das Gesetz muss noch den zweiten Durchgang im Bundesrat nehmen, um dann in Kraft zu treten (wohl Anfang Oktober).

Mit der Abhilfeklage können die klagebefugten Verbände Ansprüche auf Schadensersatz oder auf sonstige Schadloshaltung für Verbraucher (und für „kleine“ Unternehmer) geltend machen. Gleichzeitig wird das UKlaG, mit dem verbraucherrechtswidrige Praktiken untersagt werden können, überarbeitet (Art. 9). Beide Gesetze sehen (künftig) eine erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG vor. Für das VDuG ergibt sich dies aus § 3 Abs. 1, beim UKlaG wird § 6 Abs. 1 neu gefasst.

Im VDuG und im UKlaG werden damit die örtliche und die sachliche Zuständigkeit für die Unterlassungs- und Abhilfeklagen der Verbraucherschutzverbände (anders als bei der noch geltenden ZPO-Musterfeststellungsklage, MFK) einheitlich bestimmt. Damit ist (künftig) auch eine objektive Klagehäufung beider Klagen in einem Prozess und vor einem Gericht (§ 260 ZPO) möglich. Dies erscheint mitunter als sinnvoll, wenn es zB um unwirksame AGB geht. Die Unterlassungsklage (samt vorgeschalteter einstweiliger Verfügung) stellt den Rechtsverstoß für die Zukunft ab, mit der Abhilfeklage werden die Rechtsfolgen aus dem rechtswidrigen Vollzug in der Vergangenheit „kollektiv“ ausgeglichen. Die Unwirksamkeit der betroffenen AGB nach §§ 307 ff. BGB wäre die gemeinsame Vorfrage in beiden Verfahren. Auch die zugrundeliegende Richtlinie behandelt beide Aspekte wie zwei Seiten einer Medaille. Die Unterlassungsklage nach dem UKlaG hemmt zudem künftig auch die Verjährung der Ansprüche der von der Rechtsverletzung betroffenen Verbraucher (§ 204a BGB n.F.). Die Klagebefugnis der Unterlassungs- und Abhilfeklage ist (im Vergleich zu § 606 ZPO bei der MFK) weitgehend angenähert (§ 2 Abs. 1 und 2 VDuG einerseits, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG n.F. anderseits).

2. Der neu hergestellte Gleichlauf beider Verbandsklagen wird nicht länger gewährleistet, wenn die Länder von den Zuständigkeitskonzentrationsermächtigungen unterschiedlich Gebrauch machen:

Nach dem VDuG kann eine Konzentration der Abhilfeklage bei einem OLG oder beim BayObLG nach § 3 Abs. 3 VDuG erfolgen. Beim UKlaG (§ 6 Abs. 1 n.F.) wird eine Konzentration zwar nicht ausdrücklich geregelt; dort kann aber auf § 13a GVG zurückgegriffen und im Ergebnis Gleiches angeordnet werden (BT-Drucks. 20/6878, S. 11 – Gegenäußerung Bundesregierung).

3. Es können beim Vollzug damit diese Entwicklungen eintreten:

a) In Ländern mit nur einem OLG ist der Gleichlauf beider Klagen gewährleistet, ebenso in Ländern mit mehr als einem OLG, die aber von der Konzentration keinen Gebrauch machen, da die örtliche Zuständigkeit bei beiden Klagen (§§ 12, 13, 17 ZPO i.V.m. § 3 Abs. 1 VDuG bzw. § 6 Abs. 1 UKlaG) – jedenfalls praktisch – identisch ist.

b) Werden nur die Abhilfeklagen bei einem von mehreren OLG konzentriert, ist eine Klagehäufung mit einer „gleichgerichteten“ Unterlassungsklage nur noch dann möglich, wenn dieses OLG zufällig auch nach § 6 Abs. 1 UKlaG für den (Abhilfe-)Beklagten örtlich zuständig ist; bei mehreren Beklagten könnte an § 36 ZPO gedacht werden. Der Verordnungsgeber kann aber dieses OLG nach § 13a GVG ebenfalls für die Unterlassungsklage als (zentral) zuständig bestimmen; der Gleichlauf wäre dann wieder hergestellt.

c) Der Verordnungsgeber kann den Gleichlauf beider Klagen aber auch (bewusst) verhindern, indem er für die Abhilfeklage das OLG 1, für die Unterlassungsklage das OLG 2 als zuständig bestimmt (oder in Bayern das BayObLG für das VDuG – wie bei der MFK – auswählt und die Verfahren des UKlaG dagegen einem der drei OLG zuweist oder auf jede Konzentration verzichtet).

4. Bei gleichzeitiger Abhilfe- und Unterlassungsklage und fehlender gemeinsamer Zuständigkeit kommt es dann auf den Streitgegenstand und die Rechtskraft an: Der Streitgegenstand der Klage gemäß § 1 UKlaG ist die Wirksamkeit der Klausel. Wegen der Parteiidentität von Unterlassungs- und Abhilfeklage greift die Rechtskraftbindung (unabhängig von § 11 UKlaG) nach § 322 Abs. 1 ZPO. Eine Koordination von Unterlassungs- und Abhilfeklage könnte dann nach § 148 Abs. 1 ZPO erfolgen, indem die Abhilfeklage bis zur rechtkräftigen Entscheidung im Unterlassungsklageverfahren als rechtskraftfähiger Vorfrage ausgesetzt wird.

5. Werden Konzentrationsermächtigungen des VDuG und GVG von den Ländern unterschiedlich ausgefüllt, wird der kollektive Rechtsschutz in Deutschland durch diese Organisationsentscheidungen mittelbar höchst unterschiedlich ausgestaltet.

Dies wirft die Frage auf, ob eine der sachdienlichen Förderung oder der schnelleren Erledigung (vgl. § 13a GVG) dienende Ermächtigungsgrundlage solche „Nebenwirkungen“ auf Parteirechte haben darf. Andererseits: Muss eine „Vollkonzentration“ aller Abhilfe- und Unterlassungsklagen bei einem Gericht nur deshalb erfolgen, um keinesfalls diese Parteidisposition auszuschließen? Kann diese Gestaltungsmöglichkeit umgekehrt dazu führen, am Ende auf jede Konzentration zu verzichten? Dies ist nicht leicht aufzulösen. Ein sinnvolles Ergebnis wäre es, wenn das Gericht der Abhilfeklage (jedenfalls) auch für eine „gleichgerichtete“ Unterlassungsklage zuständig wäre – die Sommerpause bis zum Inkrafttreten der Änderungen bietet Gelegenheit, hierüber nachzudenken.

Mehr dazu im neuen Zöller, 35. Auflage.

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