07.08.2020

Montagsblog: Neues vom BGH

Portrait von Dr. Klaus Bacher
Dr. Klaus Bacher Vorsitzender Richter am BGH

Diese Woche geht es um eine nicht ganz einfache prozessuale Situation in der Berufungsinstanz.

Übergang von einem bedingten zu einem unbedingten Widerklageantrag Urteil vom 7. Juli 2020 – XI ZR 320/18

Mit § 524 Abs. 4 ZPO befasst sich der XI. Zivilsenat.

Die Kläger nahmen die Beklagte nach dem Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags auf Rückzahlung der erbrachten Leistungen in Anspruch. Die Beklagte machte geltend, der Widerruf sei unwirksam, und erklärte vorsorglich die Aufrechnung mit den ihr zustehenden Ansprüchen auf Erstattung der ausgezahlten Darlehenssumme. Für den Fall, dass die Klage zumindest teilweise Erfolg hat, erhob sie ferner Widerklage auf Zahlung des von ihr errechneten Saldos. Das LG wies die Klage wegen Unwirksamkeit des Widerrufs ab. In der Berufungsinstanz erklärte die Beklagte nach einem Hinweis des OLG, sie stelle die Wirksamkeit des Widerrufs nicht mehr in Abrede. Zugleich beantragte sie die Zurückweisung der Berufung und die Verurteilung der Kläger zur Zahlung des errechneten Saldos. Die Kläger zahlten einen Teil des geforderten Betrags und schlossen sich insoweit einer Erledigungserklärung der Beklagten an. Mit ihrer Berufung verfolgten sie fortan nur noch einen Teil ihrer Klageansprüche weiter. Das OLG verwarf die Berufung der Kläger als unzulässig und wies die Widerklage als unbegründet ab.

Die Revision der Beklagten bleibt im Wesentlichen erfolglos. Das OLG hat die Höhe des der Beklagten zustehenden Zahlungsanspruchs zwar unzutreffend berechnet. Dies bleibt im Ergebnis aber weitgehend folgenlos, weil das Berufungsgericht über den Widerklageantrag inhaltlich nicht entscheiden durfte. Der in zweiter Instanz erfolgte Übergang von einer bedingten zu einer unbedingten Widerklage stellt eine Klageänderung im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO dar. Da die Beklagte durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert ist, war hierfür eine wirksame Anschlussberufung erforderlich. Die hierfür maßgeblichen, in § 524 Abs. 1 bis 3 ZPO normierten Voraussetzungen hat die Beklagte zwar eingehalten. Gemäß § 524 Abs. 4 ZPO hat die Anschließung aber ihre Wirkung verloren, weil die Berufung der Kläger teilweise zurückgenommen und im Übrigen als unzulässig verworfen worden ist. Die vom OLG ausgesprochene Klageabweisung ist deshalb durch die (klarstellende) Feststellung zu ersetzen, dass die Anschlussberufung der Beklagten ihre Wirkung verloren hat.

Praxistipp: Die Einlegung einer Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde ist in solchen Fällen sinnvoll, wenn der Beklagte sich die Möglichkeit vorbehalten will, seinen Anspruch erneut geltend zu machen. Nach der Entscheidung des OLG wäre dies im Streitfall ausgeschlossen gewesen; nach der Entscheidung des BGH bleibt es – vorbehaltlich einer möglicherweise eingetretenen Verjährung – möglich.

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