Montagsblog: Neues vom BGH
Diese Woche geht es um das Weisungsrecht des Tatrichters gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen.
Bauteilöffnung durch den Sachverständigen Urteil vom 23. September 2020 – IV ZR 88/19
Mit den Befugnissen und Pflichten des Tatrichters gemäß § 404a ZPO befasst sich der IV. Zivilsenat.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Wohngebäudeversicherung wegen eines Hochwasserschadens. Sie macht geltend, das Fundament des versicherten Gebäudes sei durch den Wassereintritt zerstört worden. Die Beklagte hält hingegen eine Reparatur für möglich und will nur die dafür erforderlichen (geringeren) Kosten übernehmen. Die auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung wegen Zerstörung gerichtete Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.
Die Revision der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Das OLG hat im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, den gerichtlichen Sachverständigen zu einer Bauteilöffnung anzuweisen. Der BGH lässt allerdings offen, ob ein Gericht überhaupt befugt ist, einem Sachverständigen Weisungen dieser Art zu erteilen. Er entscheidet lediglich, dass dem Gericht hinsichtlich der Frage, ob es eine solche Weisung erteilt, jedenfalls ein Ermessen zusteht. Hierbei ist eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den Interessen der beweisbelasteten Partei und den mit einer Durchführung des Gutachtenauftrags für den Sachverständigen verbundenen Anforderungen vorzunehmen und insbesondere den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit Rechnung zu tragen. Im Streitfall war das Absehen von einer Weisung angesichts der hohen Schadens- und Haftungsrisiken nicht ermessensfehlerhaft, zumal die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, selbst eine Bauteilöffnung zu veranlassen.
Praxistipp: Eine Partei, die eine Bauteilöffnung selbst veranlassen will, sollte dies möglichst vor Abschluss der ersten Instanz tun, um eine Präklusion in der Berufungsinstanz zu vermeiden.