02.04.2021

Montagsblog: Neues vom BGH

Portrait von Dr. Klaus Bacher
Dr. Klaus Bacher Vorsitzender Richter am BGH

Diese Woche geht es um die Haftung eines Sportverbands und von Übungsleitern bei einem Kadertraining

Unterlassene Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Kadertraining Urteil vom 19. Januar 2021 – VI ZR 188/17

Mit den Anspruchsgrundlagen und dem Sorgfaltsmaßstab bei Gesundheitsschäden während einer Trainingsveranstaltung eines Sportverbands befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der damals fünfzehnjährige Kläger nahm im Jahr 2009 an einem Kreiskadertraining für minderjährige Tischtennisspieler teil. Veranstalter war der Beklagte zu 1, ein Verband von Tischtennisvereinen. Die Beklagten zu 2 und 3 waren bei der Veranstaltung als Trainer eingesetzt. Nach einem Schnelligkeitstraining brach der Kläger zusammen und verlor das Bewusstsein. Der Beklagte zu 3 brachte ihn in stabile Seitenlage, andere Anwesende suchten in der Sporttasche des Klägers nach Asthmamitteln. Nach einiger Zeit wurde ein Notarzt verständigt. Dieser traf vier Minuten später ein und stellte einen Herz-Kreislauf-Stillstand sowie eine komplette Blaufärbung von Haut und Schleimhäuten fest. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen führten nach fünf Minuten dazu, dass der Kläger kreislaufstabil war. In der Folgezeit zeigte sich eine Hirnschädigung aufgrund von Sauerstoffmangel. Der Kläger ist auf Dauer schwerst pflegebedürftig. Die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden gerichtete Klage hatte in erster Instanz gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 Erfolg. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz haftet der Beklagte zu 1 dem Kläger für eventuelle Pflichtverletzungen aus Vertrag. Der BGH lässt offen, ob sich eine Vertragsbeziehung schon daraus ergibt, dass der Kläger Mitglied eines dem Beklagten zu 1 angehörenden Vereins war, und ob die Einladung zu dem Kadertraining als Angebot auf Abschluss eines Betreuungsvertrags anzusehen ist. Ein Trainingsvertrag kam jedenfalls konkludent durch Aufnahme des Trainings zustande. Der Beklagte war aufgrund dieses Vertrags verpflichtet, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein gewissenhafter Veranstalter für ausreichend halten darf, um die Teilnehmer vor Schäden zu bewähren. Hierbei haftet er für jede Art der Fahrlässigkeit. § 680 BGB, der für Geschäftsführer ohne Auftrag eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit vorsieht, ist nicht anwendbar, weil eine Vertragsbeziehung bestand. Für Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2 und 3 hat der Beklagte zu 1 nach § 278 BGB einzustehen.

Die Beklagten zu 2 und 3 haften nach Maßgabe von § 823 Abs. 1 BGB. Auch ihnen gegenüber greift die Haftungsbeschränkung nach § 680 BGB nicht. Sie waren nicht als eigenständige Geschäftsführer tätig, sondern als Erfüllungsgehilfen des Beklagten zu 1.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 und 3, die über eine Ausbildung in Erster Hilfe verfügen, liegt vor, wenn sie den Notarzt erst zehn Minuten nach dem Zusammenbruch verständigt oder wenn sie von sofortigen Maßnahmen zur Wiederbelebung abgesehen haben, obwohl deren Notwendigkeit für sie erkennbar war. Zur ersten Frage haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen, die zweite Frage haben sie unter der unzutreffenden Prämisse beurteilt, die Beklagten hafteten nur für grobe Fahrlässigkeit.

Praxistipp: Bei einer Klage gegen einen Verband ist besonders sorgfältig auf die zutreffende Parteibezeichnung zu achten. Insbesondere sollte die Klage nicht gegen unselbständige Unterorganisationen gerichtet werden.

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