Montagsblog: Neues vom BGH
Diese Woche geht es um die Rechte und Pflichten eines nicht befreiten Vorerben.
Verfügung des Vorerben über Gesamtgutsvermögen einer Gütergemeinschaft BGH, Urteil vom 26. Juni 2024 – IV ZR 288/22
Der IV. Zivilsenat befasst sich mit der Verfügungsbefugnis und den Verwaltungspflichten eines nicht befreiten Vorerben.
Die Beklagte ist Vorerbin nach ihrem im Jahr 2006 verstorbenen Ehemann, mit dem sie in Gütergemeinschaft gelebt hat. Nacherben sind die Kläger, nämlich der Sohn und die beiden (von ihrer verstorbenen Tochter abstammenden) Enkelinnen der Beklagten. Nach dem maßgeblichen Erbvertrag ist die Beklagte als Vorerbin von den gesetzlichen Beschränkungen befreit. Sie darf aber nicht über den zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehörenden Grundbesitz verfügen.
Zum Grundbesitz der Gütergemeinschaft gehörten drei mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke. Im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden Verbindlichkeiten in Höhe von rund 330.000 Euro. Die Beklagte führte diese mit Hilfe der Mieteinnahmen aus zwei der Grundstücke bis zum Jahr 2012 auf rund 210.000 Euro zurück. Anschließend verkaufte sie diese beiden Grundstücke für insgesamt 350.000 Euro.
Die Kläger, machen geltend, durch den Verkauf seien ihnen eine Wertsteigerung in Höhe von rund 450.000 Euro sowie Mieteinnahmen in Höhe von rund 150.000 Euro entgangen. Deshalb verlangen sie Sicherheitsleistung gemäß § 2128 Abs. 1 BGB. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Ihre Berufung ist erfolglos geblieben.
Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.
Zu Recht hat das OLG allerdings angenommen, dass die Beklagte nicht von der Pflicht zur Herausgabe der Vorerbschaft in einem ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Zustand gemäß § 2130 BGB und von der Pflicht zur Sicherheitsleistung gemäß § 2128 BGB befreit ist. Der Erbvertrag sieht nur eine (teilweise) Befreiung von (Verfügungs‑)Beschränkungen vor, nicht aber eine Befreiung von Verpflichtungen.
Ebenfalls zu Recht hat das OLG angenommen, dass die Übereignung der beiden Grundstücke wirksam war. Die Beklagte ist im Erbvertrag zwar nicht vollständig von der in § 2113 BGB normierten Verfügungsbeschränkung befreit worden. Diese Beschränkung gilt aber nur für Grundstücke, die zum Nachlass gehören, nicht für Beteiligungen an einer Gesamthandsgemeinschaft, der Grundstücke gehören. Im Streitfall konnte die Beklagte deshalb unbeschränkt über die Grundstücke verfügen, weil diese zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehören.
Zu Recht hat das OLG ferner angenommen, dass die Beklagte den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn die Übereignung der Grundstücke nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Vorerbschaft entsprach und deshalb eine Verletzung der Herausgabepflicht nach § 2130 BGB begründet.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung jedoch nicht verpflichtet, die Mieteinnahmen zur Tilgung der Verbindlichkeiten einzusetzen. Nutzungen aus einem zur Vorerbschaft gehörenden Gegenstand stehen dem Vorerben – der gemäß § 2124 Abs. 1 BGB die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat – nach der Rechtsprechung des BGH zur freien Verfügung zu. Im Streitfall hat die Beklagte deshalb gemäß §$ 2124 Abs. 2 und § 2126 BGB einen Erstattungsanspruch, soweit sie die bestehenden Verbindlichkeiten vor der Veräußerung mit Hilfe der Mieteinnahmen getilgt hat.
Das OLG wird nach Zurückverweisung zu klären haben, ob die Veräußerung der Grundstücke zur Tilgung der Verbindlichkeiten erforderlich war und in welcher Höhe der Verkaufserlös zu diesem Zweck benötigt wurde.
Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist, liegt beim Vorerben.