OLG Frankfurt: Beschwer der Partei bei Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts
In einem Zivilprozess hatte das LG den Streitwert auf 25.000 EUR festgesetzt. Die Beklagtenvertreter legten ausdrücklich „namens des Beklagten“ gegen den entsprechenden Beschluss Beschwerde ein und beantragten die Festsetzung des Streitwertes auf über 22 Millionen EUR. Das LG half der Beschwerde teilweise ab, indem es den Streitwert auf etwas über 4 Millionen EUR festsetzte. Im Übrigen half das LG der Beschwerde nicht ab, sondern legte die Sache dem OLG zur Entscheidung vor.
Das OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2019 – 8 W 36/19, verwarf die Beschwerde – soweit ihr von dem LG nicht abgeholfen wurde – als unzulässig. Dieses vielleicht auf den ersten Blick überraschende Ergebnis ist bei näheren Hinsehen klar: Die Partei selbst kann durch eine zu niedrige Festsetzung des Streitwertes regelmäßig nicht beschwert sein, denn sie müsste bei einem höheren Streitwert mehr an ihren Rechtsanwalt zahlen, was einen Nachteil darstellt und keinen zu erstrebenden Vorteil. Es gibt von diesem Grundsatz zwar Ausnahmen (z.B., wenn eine Honorarvereinbarung bei einem höheren Streitwert zu einem niedrigeren Gesamthonorar führen könnte), eine solche liegt jedoch hier nicht vor. Die Partei kann auch eine Streitwertbeschwerde nicht dazu nützen, das finanzielle Prozessrisiko der Gegenpartei zu steigern. Ein solches Begehren begründet gerade keine Beschwer.
Nachdem vorliegend die Beschwerde ausdrücklich „namens des Beklagten“ erhoben wurde, und auch weiterhin im Rahmen der Beschwerde erklärt wurde, der Beklagte halte an dem Rechtsmittel ausdrücklich fest, kommt eine Umdeutung oder andere Auslegung des Rechtsmittels nicht in Betracht.
Beschwert ist durch eine zu niedrige Streitwertfestsetzung hingegen der Rechtsanwalt. Deswegen darf er gegen eine zu niedrige Festsetzung des Streitwertes Beschwerde einlegen (§ 32 Abs. 2 RVG).
Zwar ist die Rechtsprechung der Beschwerdegerichte in Zweifelsfällen oftmals durch eine großzügige Auslegung von Rechtsmitteln behilflich (das Rechtsmittel wird im Zweifel so ausgelegt, dass es wirksam ist), darauf sollte man sich allerdings nicht unbedingt verlassen. Der Rechtsanwalt sollte vielmehr vor dem Einlegen einer Streitwertbeschwerde genau überlegen, ob er sie im Namen der von ihm vertretenen Partei oder im eigenen Namen einlegt. Da die Beschwerde nicht so schnell verfristet (§§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG), wird es auch noch häufiger möglich sein, nach Verwerfung einer Beschwerde noch eine weitere, zulässige Beschwerde einzulegen.