OLG Hamburg: Gebühr für umfangreiche Beweisaufnahmen
In der jüngeren Vergangenheit konnte der Rechtsanwalt noch bei der Durchführung einer Beweisaufnahme eine seinerzeit sog. Beweisgebühr verdienen. Diese Gebühr wurde vom Gesetzgeber aus gutem Grunde abgeschafft, denn sie verhinderte mitunter eine Einigung im frühen Stadium eines Prozesses, weil die beteiligten Rechtsanwälte doch gerne eine Beweisgebühr verdient hätten. Zum Ausgleich wurden die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr erhöht.
Außerdem wurde die Nr. 1010 VV VRG eingeführt, eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen, d. h. mindestens drei gerichtliche Termine, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden, fanden statt. Hierdurch sollten vor allem die Baurechtler zufrieden gestellt werden.
Im konkreten Fall wurde die Festsetzung einer solchen Gebühr beantragt. Es hatten insgesamt vier Termine stattgefunden, wobei jedoch nur in zwei Terminen Sachverständige oder Zeugen vernommen wurden. Der Antragsteller war der Auffassung, es sei jedenfalls die entsprechende Anwendung der Vorschrift geboten.
Das OLG Hamburg (Beschl. v. 20.2.2024 – 4 W 21/24) geht diesen Weg nicht mit. Der klare Wortlaut der Vorschrift ist nicht erfüllt. Es fanden eben nur zwei anstatt der drei geforderten und notwendigen Termine mit Vernehmungen von Zeugen und/oder Sachverständigen statt. Eine analoge Anwendung der Nr. 1010 kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer Regelungslücke. Die Vorschrift wurde – zur Vermeidung von Fehlanreizen – bewusst so konzipiert. Kostenvorschriften sind im Übrigen streng dem Wortlaut gemäß auszulegen. Letztendlich ist das Kostenfestsetzungsverfahren als summarisches Verfahren auch nicht geeignet, einzelfallbezogene Prüfungen zu dem Umfang einer Beweisaufnahme durchzuführen.
Mit der wohl ganz h. M. lehnt daher das OLG Hamburg eine entsprechende Anwendung der Zusatzgebühr für umfangreiche Beweisaufnahmen nach Nr. 1010 VV RVG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ab.