21.02.2017

Warnfunktion der Fristsetzung (Vom Zer-schneiden von Gesetzen, 2. Folge)

Portrait von Dr. Frank O. Fischer
Dr. Frank O. Fischer Richter am Amtsgericht

Während in meinem letzten Blog-Beitrag vom „Zer-entscheiden“ im Verfahrensrecht (Thema: Wann muss das Berufungsgericht eine erstinstanzliche Beweisaufnahme wiederholen?) die Rede war, geht es nunmehr um das materielle Recht. Bekanntlich muss der Gläubiger dem Schuldner, wenn er Schadensersatz verlangen will, erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmen (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Bereits die unbefangene Lektüre des einschlägigen Gesetzestextes legt es hier doch eigentlich nahe, dass es erforderlich ist, dem Vertragspartner aufzuzeigen, worum es einem geht und ihm alsdann eine Frist zu setzen, innerhalb derer dieser im Sinne einer Beseitigung der geschilderten Beanstandungen reagieren soll.

Also etwa wie folgt: „Sie haben das Getriebe meines Autos repariert. Nunmehr lässt sich plötzlich der dritte Gang nicht mehr einlegen! Bitte bringen Sie das innerhalb von spätestens einer Woche wieder in Ordnung.“

Aber was bleibt von einer solchen Regelung übrig, wenn sich der BGH ihr annimmt: „Für eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen - hier ein Verlangen nach schneller Behebung gerügter Mängel - deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End)Termins bedarf es nicht (Fortführung von BGH, Urt. v. 12.8. 2009 -VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329; v. 18.3.2015 – VIII ZR 176/14, MDR 2015, 576). Ergibt sich dabei aus den Gesamtumständen, dass ein ernsthaftes Nacherfüllungsverlangen vorliegt, schadet es nicht, dass dieses in der höflichen Form einer „Bitte“ gekleidet ist.“ (BGH, Urt. v. 13.7.2016 – VIII ZR 49/15, MDR 2016, 1075)

Im konkreten Fall (es ging um eine recht mangelbehaftete Einbauküche) hatte die Klägerin in einer Mail auf fünf Seiten die zahlreichen Mängel bezeichnet und sodann erklärt: „Ich bitte – sicherlich verständlich - schon jetzt um eine schnelle Behebung der Mängel, damit ich die Küche in ihrer geplanten einwandfreien Funktionsweise auch vollständig in Betrieb nehmen kann.“ Diese Formulierung hat dem BGH ausgereicht, um die Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 S.1 BGB zu erfüllen!

Wer hätte das gedacht? Eigentlich erübrigt sich hier jeder Kommentar! Gleichwohl wurde in den führenden Fachzeitschriften diese Entscheidung offenbar für erörterungswürdig angesehen. Clemens Höpfner kritisiert in der NJW (2016, 3633 ff.) zu Recht diese Entscheidung und wendet u. a. ein: „Er (sc. der BGH) schränkt die Warnfunktion des Fristsetzungserfordernisses so umfassend ein, dass die Unterschiede zwischen Fristsetzung und Mahnung weitgehend nivelliert werden. Das widerspricht der ratio legis und schafft für beide Parteien unnötige Rechtsunsicherheit, ohne dass damit die Situation des Gläubigers effektiv verbessert wird.“ Wolf Müller, MDR 2017, 10 ff., verweist auf diese Kritik.

Fazit: Der BGH hätte es sich vorher lieber anders überlegen sollen, jetzt dürfte es zu spät sein; so auch Höpfner und Müller. Und erneut wurde – wie schon so oft - eine Chance vertan, etwas einmal nicht bis zur Konturenlosigkeit zu „zer-entscheiden“.

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