30.03.2020

Das Corona-Moratorium im Mietrecht – Steine statt Brot?

Portrait von Dr. jur. Hans Reinold Horst
Dr. jur. Hans Reinold Horst Rechtsanwalt

Beherzt und entschlossen haben Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat ein Maßnahmenpaket zur Abmilderung der katastrophalen Folgen der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht. Die Regeln treten am 1. April 2020 in Kraft. Enthalten ist auch ein Mietkündigungsmoratorium: wer coronabedingt seine Miete in dem Zeitraum vom 1.4.2020 bis zum 30.6.2020 nicht zahlen kann, muss deswegen zahlungsverzugsbedingte Kündigungen bis zum 30. Juni 2022 nicht fürchten.

Dem Corona-Notpaket werden bereits handwerkliche Fehler attestiert (vgl. Spiegel Online Wirtschaft vom 27.3.2020 - Interview mit Professor Dr. Markus Artz).

Dass der Gesetzgeber schnell reagiert hat, ist so gut wie notwendig. Denn coronabedingt soll kein Wohnungsmieter seine Wohnung verlieren müssen und kein Gewerbemieter bei „Nullumsatz“ wegen erdrückender Mietforderungen in Insolvenz gehen. Dass bei einem einmalig schnellen Handeln durch sämtliche Instanzen des Gesetzgebungsverfahrens in nur einer Woche dogmatische Schwächen auftreten, ist sicher nachvollziehbar – und verzeihlich. Der Gesetzgeber hat aber etwas völlig überflüssiges und im Ergebnis wirkungsloses geschaffen, dass in den Medien zu allem Unglück auch noch zu der Aussage verballhornt wird, Mieter müssten nun ab April überhaupt keine Miete mehr bezahlen. Das ist völliger Unsinn und vom Gesetzgeber auch keinesfalls gewollt.

Selbstverständlich werden Mieten auch in dieser Zeit wie gewohnt fällig und sind zu bedienen, im Verzugsfalle auch mit Verzugszinsen. Auch Zahlungsklagen bleiben uneingeschränkt möglich, wenn man von den coronabedingten Behinderungen der Justiz einmal absieht. Nur die Kündigung wegen der Mietaußenstände wird um zwei Jahre „vertagt“, damit auch eine darauf gegründete Räumungsklage. Dabei wäre all das überhaupt nicht nötig gewesen: Denn bekanntlich setzt ein Zahlungsverzug im Gegensatz zum eingetretenen Zahlungsrückstand ein Verschulden des Schuldners daran voraus. Dem steht es gleich, wenn ihm ein Verschulden Dritter zugeordnet werden muss (vertreten müssen; § 286 Abs. 4 BGB).

Kann der Gewerbemieter dafür, dass coronabedingt zwingend notwendige behördliche Betriebsverbote mit Nutzungsuntersagung der Mieträume erlassen werden müssen? Trägt er ein Verschulden daran, wenn ihm seine Kunden wegen behördlicher Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote mit entsprechendem Umsatzrückgang ausbleiben? Kann er dafür, wenn Zulieferbetriebe nicht mehr funktionieren? Und vor allem: ist es ihm abgesehen von der nur zu geißelnden Teilnahme an „Corona Partys“ anzulasten, wenn er selbst infiziert wird und erkrankt? Natürlich nicht! Von einem verzugsbegründenden „Vertretenmüssen“ kann dann aber auch keine Rede sein. Eine Kündigung hätte in Coronafällen also schon deshalb überhaupt nicht mit Erfolg ausgesprochen werden können.

Alle anderen Konstellationen thematisiert das neue gesetzliche Moratorium nicht (vgl. hierzu den Beitrag von Lützenkirchen im Beratermodul Miet- und WEG-Recht). Zu Recht nicht! Wer also ohnehin schon bei den Mietverbindlichkeiten „auf lau machte“ und /oder „auf Zeit spielte“, der soll jetzt gerade nicht belohnt werden - und wird es auch nicht! Denn in all diesen Fällen bleiben zahlungsverzugsbedingte Kündigungen natürlich möglich. Nur muss eben nicht nur ein Mietaußenstand, sondern eben ein Mietzahlungsverzug eingetreten sein. „Corona“ im Mietrecht wäre  also durchaus ohne gesetzgeberische Bemühungen im Griff zu halten gewesen. Dogmatisch hätte es eines Kündigungsmoratoriums nicht bedurft.

Also nur Aktionismus? Soweit sollte man in seiner eigenen Bewertung in Zeiten der Ausnahmesituation auch nicht gehen. Der Gesetzgeber beabsichtigt vor allem eine Appellfunktion. Und die hat er erhalten - allerdings durch bisweilen verantwortungslos handelnde einzelne Medien in die völlig falsche Richtung!

Zumindest die Medien müssen sich sehr viel verantwortungsvoller verhalten und sich mit reißerischen Überschriften zurücknehmen. Fake News sind wirklich das allerletzte, was wir jetzt noch brauchen können. Als ob die Menschen nicht genug verunsichert wären! Als ob wir alle nicht schon genug Probleme hätten! Dieses ewige gegeneinander hetzen gesellschaftlicher Gruppen - diese schon vor „Corona“ mit immer stärkerer ideologischer Wucht betriebene Lagerbildung zwischen Vermietern und Mietern muss endlich ein Ende finden! Denn dafür ist jetzt wirklich nicht mehr die Zeit!

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