07.06.2016

furor zitandi - oder was?

Portrait von Dr. Oliver Elzer
Dr. Oliver Elzer

In einer Leitsatzentscheidung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 7. April 2016, VII ZR 56/15, finden sich zur Frage, ob § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B (2009) wegen Verstoßes gegen §§ 103, 119 InsO unwirksam ist, im Abdruck bei Rz. 19 und Rz. 21 jeweils eine ganze Seite Zitate. Ich selbst fand das beim ersten Lesen übertrieben. Das sehe ich eigentlich immer noch so. Unter anderem fragt sich, wer zitiert wird und wer – trotz der Fülle – nicht, wer diese Auswahl trifft und was wohl die Prüfsteine sind? Und ist es richtig, wenn sich Richter selbst zitieren? Oder ihnen nahe stehende Autoren?

Indes: der VII. Zivilsenats zeigt Lesefrüchte, nennt Argumente und begründet, wie er selbst die Sache sieht. Also: alles richtig gemacht – auch wenn man die gefundene Lösung nicht teilt (ich selbst habe da keine Meinung). Denn dieses Vorgehen ist meines Erachtens besser als die "Politik" anderer Senate. Etwa in einer jüngeren Leitsatzentscheidung des VIII. Zivilsenats  vom 27. April 2016, VIII ZR 323/14, findet sich Rz. 16 zur Frage, wer nach einer Umwandlung eines Mietshauses Vermieter ist, wenn Mietsache ein Sondereigentum, aber auch das gemeinschaftliche Eigentum ist und das gemeinschaftliche Eigentum einem Sondernutzungsrecht unterliegt, genau ein Zitat. Und auf wen verweist der Senat? Richtig, er verweist auf sich selbst. Dabei dürfte ihm kaum entgangen sein, dass die zitierte Entscheidung vom 28. September 2005, VIII ZR 399/03, hoch streitig ist (ist verzichte mit Vergnügen auf Belege – sie sind überall leicht zu finden). Ferner dürfte dem Senat kaum entgangen sein, dass die Entscheidung vielfach abgelehnt wird (dass die folgende Rz. 26, wo apodiktisch behauptet wird, der Käufer eines Wohnungseigentumsrechts könne sich, soweit keine abweichenden Nutzungs- und Gebrauchsabreden getroffen sind, gegenüber den anderen Wohnungseigentümern nicht auf fortbestehende Nutzungsbefugnisse aus dem ehemaligen Mietverhältnis berufen, die mit der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung nicht in Deckung zu bringen sind, so nicht haltbar ist, wird da fast zur Petitesse).

Ich selbst wünschte mir angesichts dieses Befunds, dass jeder Senat, jede Kammer und jede Abteilung stets die Kraft hat, zu sagen, warum man trotz an ihm geübter Kritik Recht hat. Und ich wünsche mir, dass nicht zu vergessen, wenn ich selbst richte.

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