04.09.2020

Gewerberaummiete: Mietzahlungspflichten in Corona-Zeiten – Erste Gerichtsentscheidungen und gerichtliche Tendenzen

Portrait von Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla
Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla

Während der corona-bedingten behördlichen Schließungsanordnungen von Einzelhandelsgeschäften in den Monaten März bis April 2020 haben viele Einzelhandelsmieter ihre Mietzahlungen eingestellt und die Zahlungen (teilweise) erst wieder mit den Ladenöffnungen aufgenommen. Für die betroffenen Monate sind vielfach Einigungen zwischen Vermietern und Mietern zustande gekommen, die von (teilweisen) Mietreduzierungen, Vereinbarungen von reinen Umsatzmieten bis hin zu Stundungsvereinbarungen reichen. Nicht selten haben Vermieter aber auch den Klageweg beschritten und die Zahlungsrückstände gerichtlich geltend gemacht. Nunmehr liegen mit dem Urteil des Landgerichts Zweibrücken (Az.: HK O 18/20) und des Landgerichts Heidelberg (Az.: 5 O 66/20) erste gerichtliche Entscheidungen vor und es zeichnet sich - auch in anderen Klageverfahren - in der (erstinstanzlichen) Rechtsprechung folgende Tendenz ab:

 I. Kein Mangel des Mietgegenstandes (§ 536 Abs. 1 BGB) wegen der Corona-bedingten Geschäftsschließungen

Minderungsrechte des Mieters (§ 536 Abs. 1 BGB) wegen der Corona-bedingten Geschäftsschließungen wurden bislang in der Rechtsprechung durchweg verneint. Denn die Geschäftsschließungen, die auf den behördlichen Beschränkungen und gesetzgeberischen Maßnahmen beruhten, stehen nicht unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand und der Lage des Mietobjekts im Zusammenhang. Wörtlich heißt es insoweit im Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 30.07.2020 (Az.: 5 O 66/20):

„Die hoheitlichen Maßnahmen dienen im vorliegenden Fall dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allein an den Betrieb des jeweiligen Mieters. Die Maßnahmen stellen dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten ab, sondern allgemein auf die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dies Infektionen begünstigt. Daran ändert auch nichts, dass die streitgegenständlichen Gewerberäume im vorliegenden Fall zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs vermietet wurden und sich aus der Kurzbaubeschreibung ergibt, dass es sich um ein kik-Ladenlokal handeln sollte. Denn die Mietsache ist zu diesem Zweck weiterhin in gleicher Weise geeignet, wie vor dem hoheitlichen Einschreiten. Untersagt ist lediglich dessen Betrieb und zwar losgelöst von Fragen der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache. Dieser Umstand fällt jedoch in den Risikobereich des Mieters.“

II. Kein Entfallen der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit (§ 326 Abs. 1 BGB)

Auch ein Entfallen der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit (§ 326 Abs. 1 BGB) wird mit dem Argument verneint, dass der Vermieter seiner Leistungspflicht (Zurverfügungstellung der Mieträume) auch dann nachgekommen ist, wenn der Mieter die Räumlichkeiten faktisch wegen der behördlichen Schließungsanordnungen nicht als Verkaufsflächen nutzen konnte. Hierzu äußert sich das Landgericht Heidelberg wie folgt:

„Der Vermieter muss dem Mieter nur eine Gebrauchsmöglichkeit verschaffen. Immer wenn der Mieter die Sache nicht gebrauchen kann, weil sie selbst nicht nutzungstauglich ist, geht der Vermieter nach § 326 Abs. 2 oder § 536 BGB seines Anspruchs auf die Miete verlustig. Betrifft die Störung dagegen die Nutzungstätigkeit des Mieters, bleibt dieser zur Mietzahlung verpflichtet. Dies gilt nicht nur, wenn ihn der Umstand ganz individuell an der Nutzung der Sache hindert, sondern auch, wenn ein beliebiger anderer Mieter von der Sache nicht den vertragsgemäßen Gebrauch machen könnte. Dies lässt die Verpflichtung zur Mietzahlung nicht entfallen, solange es nicht an der Sache selbst liegt, dass sie nicht bestimmungsgemäß verwendet werden kann.“

 III. Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)

 Verbleiben dem Mieter daher allein mögliche Vertragsanspruchssprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).

1. Allgemeines/Voraussetzungen

Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten und einem (Vertrags-)Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Kommt eine Anpassung des Vertrags nicht in Betracht oder ist sie einem Teil nicht zumutbar, so kann bei Dauerschuldverhältnissen der benachteiligte Teil den Vertrag kündigen (§ 313 Abs. 3 Satz 2 BGB).

2. Schwerwiegende Störung

Gebrauchshindernisse, die nicht aus der Sphäre des Mieters stammen, können die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages schwerwiegend stören (Gerlach/Manzke, ZMR 2020, 551, 555; Jauernig/Teichmann, BGB, 17. Aufl. 2018, § 537, Rn. 2). Anerkannt ist das beispielsweise dann, wenn Eingriffe „von hoher Hand“, insbesondere Änderungen der Rechtslage, die Zwecke hinfällig werden lassen, die eine Partei mit dem Vertrag verfolgt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 313 Rz. 34). Die Geschäftsgrundlage ergibt sich regelmäßig aus dem vereinbarten Mietzweck. Aus diesem ergibt sich, dass der Mieter die angemieteten Räume für den angegebenen Geschäftsbetrieb nutzen will. Letzteres ist ihm aber durch die behördlichen Schließungsanordnungen nicht möglich gewesen. Auch hierzu hat sich das Landgericht Heidelberg ausdrücklich geäußert und ist folgender Auffassung:

„Zwar ist nicht im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Mietsache von der Geschäftsgrundlage auszugehen, da diese maßgeblicher Vertragsinhalt ist, sondern vielmehr die Vorstellung der Parteien, dass keine zumindest bundesweit - tatsächlich aber weltweite - Pandemie auftritt, aufgrund derer flächendeckend Gewerbebetriebe geschlossen werden müssen. Diese ist auch schwerwiegend gestört, da die Nutzbarkeit der Mietsache - jedenfalls vorübergehend - vollständig entfallen ist. Es handelt sich damit um eine zu berücksichtigende Zweckstörung, die eine Fallgruppe des § 313 BGB darstellt. Die Leistung des Vermieters ist für den Mieter aufgrund der Unmöglichkeit, das Gewerbe in dem hierfür angemieteten Objekt betreiben, sinnlos geworden.“

3. Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikoverteilung

Weitere Voraussetzung für eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage ist aber, dass die Störung der Geschäftsgrundlage durch das Betriebsverbot das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikoverteilung (für den Mieter) unzumutbar macht.

 

a) Vereinbarung einer Umsatzmiete (Landgericht Heidelberg, Az.: 5 O 66/12)

Mit dem Landgericht Heidelberg führt allein die Vereinbarung einer Mindestmiete mit zusätzlicher Umsatzmiete ab einem gewissen Umsatz nicht zur Unzumutbarkeit. Vielmehr lässt sich aus einer solchen Vereinbarung lediglich der Wille zu einer Beteiligung ab einem bestimmten Umsatz ablesen, also bei einem besonderen Erfolg der Mieterin. Gerade die Vereinbarung einer Mindestmiete zeigt jedoch, dass der Vermieter an einem gänzlichen Misserfolg nicht partizipieren wollte, wobei den Parteien hierbei die Möglichkeit schwankender Umsätze sichtlich bewusst war.

 

b) Reine Umsatzrückgänge des Mieters

Vielfach werden für die Unzumutbarkeit des Fortbestandes der Mietzahlungspflicht Umsatzrückgänge (in den betroffenen Monaten) angeführt. „Reine“ Umsatzrückgänge für die betroffenen Monate genügen nach der Rechtsprechung allerdings grundsätzlich nicht. Erforderlich sei vielmehr, dass es zu einer existenzbedrohenden Situation des Mieters kommt, für die der Mieter darlegungs- und beweisbelastet ist. Zudem sind in diesem Zusammenhang vom Mieter anderweitig empfangene Leistungen (z.B. Kurzarbeitergeld, staatliche Förderprogramme, Rücklagen und sonstige Vorteile) gegenüberzustellen. Auch hierzu hat sich das Landgericht Heidelberg ausdrücklich geäußert:

„Zwar mag ein filialbezogener netto Umsatzrückgang von 45,42 % bzw. 39,2 % bzw. 39,24 % im März bzw. April 2020 bzw. ein betriebsbezogener netto Umsatzverlust von 5-7 Millionen Euro pro Tag - der jedoch nicht näher dargelegt ist - zunächst erheblich erscheinen. Allerdings wurden diesem netto Umsatzrückgang weder die ersparten Mitarbeiterkosten durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, noch etwaige Rücklagen gegenübergestellt.“

IV. Ausblick

Nach den bisherigen Tendenzen in der Rechtsprechung scheidet eine Minderung der Miete (§ 536 Abs. 1 BGB) wegen einer Corona-bedingten Schließungsanordnung aus, da es an einem Mangel des Mietgegenstandes fehlt.

Allenfalls kommen Vertragsanpassungsansprüche unter den Voraussetzungen des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) in Betracht. Im Schrifttum und zum Teil auch in der gerichtlichen Praxis wird insoweit davon ausgegangen, dass die Miete grundsätzlich zu halbieren ist (vgl. Gerlach/Manzke, ZMR März 2020, 551, 556), wobei aber auch zu berücksichtigen ist, ob und in welcher Höhe der Mieter staatliche oder sonstige finanzielle Hilfen erhalten hat oder noch erhalten wird. Nach derzeitiger gerichtlicher Praxis werden Vertragsanpassungsansprüche lediglich dann als gegeben angesehen, wenn der Mieter trotz sonstiger „Beihilfen“ durch die Corona-bedingten Ladenschließungen in eine existenzbedrohende Situation geraten ist.

Ob sich diese Tendenz in der Rechtsprechung festigen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sind Vermieter und Mieter gut beraten, sich außergerichtlich zu einigen. Denn zumeist erfolgt auch in Klageverfahren eine vergleichsweise Einigung zwischen den Parteien. Diese ist dann nur teurer, weil sie die Einigung über die Gerichts- und Anwaltskosten mit umfasst.

Zurück