Rechtsanwalt Dr. Klaus Lützenkirchen im Interview zum Mietrechtsanpassungsgesetz
Die Schnelllebigkeit des Mietrechts stellt Fachautoren und Verlage vor das Problem, mit überraschender Rechtsprechung und gesetzgeberische Reformen so umzugehen, dass dem Rechtsanwender rechtzeitig die für seine Tagesarbeit notwendigen Informationen zur Verfügung stehen. Zu diesem Thema am Beispiel des Mietrechtsanpassungsgesetzes ein Interview mit Rechtsanwalt Dr. Klaus Lützenkirchen[1]:
Donnerbauer: Lieber Herr Dr. Lützenkirchen, Sie stehen mit Ihren mietrechtlichen Publikationen, insbesondere Ihrem Anwalts-Handbuch Mietrecht und einem großen einschlägigen Kommentar für Expertise im Mietrecht. Wie schätzen Sie das ein, ist das Mietrechtsanpassungsgesetz 2019 eine ernstzunehmende Novelle? Zum Mietrechtsnovellierungsgesetz 2015, vulgo „Mietpreisbremse“, gab es ja große Bedenken aus der Fachwelt, die allerdings kaum Eingang in das Gesetzgebungsverfahren gefunden haben.
Lützenkirchen: Nun ja, die Reform 2015 war ganz stark auf die Frage der zulässigen Miethöhe bei der Neuvermietung fokussiert. Und trotz dieses scheinbar überschaubaren Umfangs haben sich in der täglichen Praxis dann an vielen Stellen große Probleme bei der Anwendung des neuen Rechts ergeben, die der Gesetzgeber vorab nicht bedacht hatte und die zum Teil immer noch nicht abschließend geklärt sind. Mit dem Mietrechtsanpassungsgesetz 2019 hat der Gesetzgeber die „Mietpreisbremse“ durch die Auskunftspflicht des Vermieters zwar möglicherweise effektiver gemacht. Die zusätzliche Regeln, die sich thematisch mit der Modernisierung beschäftigen, spielen aber in die „Mietpreisbremse“ hinein und werfen viele Fragen auf, zu denen die Begründung des Gesetzes keine Antwort bietet. Gleichzeitig wurde noch eine neue Ordnungswidrigkeit eingeführt. Bei einer drohenden Geldbuße bis zu 100.000 € würde ich das durchaus als ernstzunehmend bezeichnen. Da die Neuregelungen ab dem 1.1.2019 geltendes Recht sind, besteht tatsächlich aktuell ein enormer Informationsbedarf bei Anwälten, Gerichten und in der Wohnungswirtschaft.
Donnerbauer: Wie gehen Sie als Fachautor mit dieser besonderen Situation um?
Lützenkirchen: Der klassische Weg zur schnellen Erstinformation ist sicherlich nach wie vor der (Fach-)Zeitschriftenaufsatz. Die einschlägigen Periodika wie MietRB, Das Grundeigentum, WuM, ZMR oder NZM sind in der Lage, einigermaßen zeitnah über eine solche Reform zu informieren. Durch den in Zeitschriften naturgemäß stark begrenzten Platz ist es aber häufig schwierig, dort Probleme vertieft darzustellen und konkrete Hinweise zum Umgang mit neuen Entwicklungen zu geben. Und meist stecken die kritischen Umsetzungsfragen ja gerade im Detail. Das kann man natürlich in Seminaren darstellen, für den Nutzer ist dieser Weg aber naturgemäß zeitlich sehr aufwändig.
Donnerbauer: Stellt sich dieses Problem nicht ganz allgemein bei Printmedien?
Lützenkirchen: Ja, in der Tat. Das Recht ist ja nicht statisch, sondern wird vor allem durch die Gerichte immer schneller fortgeschrieben. Und der BGH hat schon immer mit einzelnen Entscheidungen, z.B. zum Thema Schönheitsreparaturen, für ähnliche Disruptionen gesorgt, wie das sonst eigentlich nur der Gesetzgeber mit einer mehr oder weniger gehaltvollen Reform schafft. Gedruckte Kommentare oder Handbücher mit ihren jahrelangen Auflagenfrequenzen kommen da kaum noch hinterher. Gerade deshalb ist für mich als Autor, aber auch für den Nutzer, das Medium „Online-Datenbank“ eine überaus sinnvolle Alternative oder zumindest eine gute Ergänzung zu klassischen Darstellungsformen. Tatsächlich wird der Mietrechtskommentar, den ich mit den Kollegen Dickersbach und Abramenko verantworte, in seiner Datenbankversion auch schon seit 2017 mit kurzen Online-Ergänzungen bei Rechtsprechungsänderungen aktualisiert. Und das Anwalts-Handbuch Mietrecht bietet Online schon seit einigen Wochen ein brandneues Kapitel zum Mietrechtsanpassungsgesetz 2019 an, wenn man so will, just in time.
Donnerbauer: Würden Sie sagen, das Print stirbt aus?
Lützenkirchen: Ich glaube, dass Print und Datenbanken noch längere Zeit koexistieren werden, vor allem, soweit es Kommentare und Handbücher betrifft. Ich halte mich durchaus für datenbankaffin, es gibt aber Werke, die ich unbedingt auch als Print im Büro stehen haben möchte. Ich merke aber auch, dass jüngere Kollegen zunehmend fast ausschließlich mit Datenbanken arbeiten, das hat einerseits sicherlich etwas mit dem Schlagwort „digital natives“ zu tun, ist also partiell eine Generationenfrage. Auf der anderen Seite bieten die elektronischen Varianten aber tatsächlich massive Vorteile bei Aktualität, Verlinkung und, ehrlich gesagt, auch beim Preis. Mit einem kleinen, feinen Datenbankmodul zum Miet- und WEG-Recht hat man zum Bruchteil des Printpreises eine überaus solide Bibliothek im Rücken. Nur die Haptik fehlt halt, und, wer es braucht, die dekorative Funktion.
Donnerbauer: Lieber Herr Dr. Lützenkirchen, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch!
[1] Dr. Klaus Lützenkirchen ist Fachautor und Herausgeber diverser mietrechtlicher Werke, u.a. des Anwalts-Handbuch Mietrecht und des Kommentars zum Mietrecht bei Otto Schmidt, und spezialisierter Anwalt in Köln. Das Interview wurde geführt von R. Donnerbauer, Leiter des mietrechtlichen Lektorates im Verlag Dr. Otto Schmidt.