27.03.2020

Verwaltung von Wohnungseigentum in Zeiten der „Corona“-Pandemie

Portrait von Dr. Johannes Hogenschurz
Dr. Johannes Hogenschurz VorsRiLG, Köln

I. Einführung

Zentraler Ort für Entscheidungen der Wohnungseigentümer ist die Eigentümerversammlung, die in der Regel in der ersten Jahreshälfte anberaumt wird. Die Einberufung von Eigentümerversammlung ist derzeit allerdings selbst in sehr kleinen Eigentümergemeinschaften aufgrund ordnungsbehördlicher Ansammlungsverbote nicht mehr zulässig. „Virtuelle“ Eigentümerversammlungen, die technisch als Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden können, sind im WEG nicht vorgesehen. Als Alternative bleibt die schriftliche Beschlussfassung gemäß § 23 Abs. 3 WEG, die aber Allstimmigkeit voraussetzt. Eine Eigentümerversammlung, bei der allein der Verwalter als Versammlungsleiter und zugleich als bevollmächtigter Vertreter von so vielen Wohnungseigentümern anwesend ist, so dass die Hälfte der Miteigentumsanteile, berechnet nach der im Grundbuch eingetragenen Größe dieser Anteile vertreten ist (§ 25 Abs. 3 WEG), erscheint vor dem Hintergrund der unentziehbaren Mitwirkungsrechte der einzelnen Wohnungseigentümer regelmäßig nicht als empfehlenswert, wo Wohnungseigentümer an der Versammlung teilnehmen möchten, aber aufgrund der öffentlich-rechtlichen Verbote nicht teilnehmen dürfen; dafür spricht auch, dass eine Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz anders als bei Genossenschaften im Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nicht vorgesehen worden ist.

II. Überblick über die Rechtslage

Nach derzeit geltendem Recht, das gleichsam nebenbei gerade in der Krise grundlegend geändert werden soll (vgl. den Regierungsentwurf vom 23.03.2020 für ein Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG); abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/WEMoG.html), muss der Verwalter seine in § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WEG in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelte Notkompetenz nutzbar machen, wo vorrangige Regelungen in der Gemeinschaftsordnung oder im Verwaltervertrag fehlen, will er die Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage vorläufig ohne Eigentümerbeschluss weiterführen. Weil die bestehenden Regelungen nicht ausreichend sein können und sich in einer Krise vergleichbaren Ausmaßes noch nicht bewähren mussten, sieht das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pan-demie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 25.03.2020 (BT-DrS 19/18110) in Art. 2 als § 6 des Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie – gemäß Art. 6 Abs. 2 bis zum 31.12.2021 geltend – vor:

§ 6 Wohnungseigentümergemeinschaften (1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt. (2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

III. Einzelfragen

Was bedeutet das rechtlich für die Praxis der WEG-Verwaltung?

1. Verwaltungsverhältnis

Der Verwalter bleibt grundsätzlich bis 31.12.2021 im Amt, auch wenn sein Bestellungszeitraum vor dem 31.12.2021 enden würde. Das gilt jedenfalls solange, bis er – regelmäßig durch Eigentümerbeschluss – abberufen oder ein neuer Verwalter bestellt wird. Damit bleiben Wohnungseigentümergemeinschaften auch dann handlungsfähig, wenn ein neuer Verwalter vorübergehend nicht bestellt werden kann. Aus diesem Grund ist auch die damit einhergehende Durchbrechung der Obergrenzen für die Bestellungszeiträume des § 26 Abs. 1 S. 2 WEG vertretbar. Eine gesetzliche Regelung zur Verlängerung des Verwaltervertrags fehlt. Eine ergänzende Vertragsauslegung wird für den Einzelfall anhand der bisherigen Regelungen klären müssen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den Fall einer Verlängerung des Bestellungszeitraums bedacht hätten. Im Einzelfall mag danach der Vertrag zu den bisherigen Konditionen weiterlaufen, wenn das Honorar für den (langen) Bestellungszeitraum fest vereinbart war; wo eine alljährliche Honorarerhöhung vorgesehen war, kann diese im Einzelfall fortgeschrieben werden. Der Verwalter seinerseits kann sein Amt nur unter den Voraussetzungen der §§ 675, 671 Abs. 2 BGB niederlegen, also wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft „für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt“. „Anderweitige Fürsorge“ durch Bestellung eines neuen Verwalters durch Eigentümerbeschluss wird praktisch kaum möglich sein, solange Eigentümerversammlungen aufgrund ordnungsbehördlicher Anordnungen nicht durchgeführt werden dürfen. Allerdings erscheint es nicht mehr undenkbar, dass gleichwohl ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt, etwa weil dem Verwalter aufgrund eigener schwerer Erkrankung bzw. der seiner Mitarbeiter die Erfüllung seiner Aufgabe nicht mehr möglich ist. Wenn der Verwalter eine natürliche Person ist, kann allerdings der Fall des § 673 S. 2 Halbsatz 2 BGB eintreten, dass bei Tod des Verwalters dessen Erbe die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen hat, bis der Auftraggeber anderweit Fürsorge treffen kann, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden wäre. Wenn beim Verwalter niemand mehr in der Lage ist, die Verwaltung zu führen, etwa weil alle Mitarbeiter (z.B. nach dem gemeinsamen Besuch einer Karnevalssitzung) in Quarantäne sind, bleiben die Wohnungseigentümer auf ihr Notverwaltungsrecht gemäß § 21 Abs. 2 WEG verwiesen. Die Wohnungseigentümer dürfen erwarten, dass der gewerbliche Verwalter dem Ausfall aller seiner Mitarbeiter durch eine geeignete Betriebsorganisation (Home-Office, Zwei-Schicht-Betrieb) entgegenwirkt.

2. Instandhaltung

Die laufenden Instandhaltungsmaßnahmen darf der Verwalter gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG veranlassen. Auch dringende Instandsetzungsmaßnahmen kann der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG veranlassen, insbesondere die Umsetzung behördlicher Anordnungen, etwa die Sperrung von Spielplätzen oder anderen Flächen. Im öffentlichen Recht wird der Verwalter unter dem Gesichtspunkt der effizienten Gefahrenabwehr immer noch als verantwortlicher Zustandsstörer angesehen (vgl. dazu Dötsch, Die Ordnungsverfügung gegen den Wohnungseigentumsverwalter, NZM 2020, 121). In diesen Fällen ist der Verwalter auch zur Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG). Daneben ist der Verwalter gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind. Einer Beteiligung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter bedarf es nicht. Eine Information der Wohnungseigentümer wird regelmäßig sinnvoll sein. Der Verwaltungsbeirat und seine Mitglieder haben keinerlei Notkompetenzen.

3. Wirtschaftspläne

Wirtschaftspläne bleiben bis 31.12.2021 wirksam, auch wo eine Fortgeltungsklausel nicht beschlossen worden ist. Damit bleiben die Wohnungseigentümer zur Zahlung der Hausgelder in bisheriger Höhe verpflichtet. Zugleich ist die Gefahr gebannt, dass die Finanzierung einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mehr sichergestellt ist, wenn die Fortgeltung des Wirtschaftsplans nicht beschlossen worden ist. An der Pflicht zur Abrechnung gesondert für jedes Wirtschaftsjahr ändert sich nichts, auch wenn im Jahr 2020 keine Beschlussfassung über die Abrechnung mehr erfolgen könnte. Eine Aussetzung oder Stunden von Hausgeldern sehen weder das WEG noch die aktuellen Maßnahmegesetze vor. Das für Mieter vorgesehene Moratorium des Art. 240 § 1 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 25.03.2020 (BT-DrS 19/18110) gilt für das Verhältnis von Wohnungseigentümer zur Wohnungseigentümergemeinschaft nicht; auch die Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen des Art. 240 § 2 EGBGB gilt in diesem Verhältnis nicht, sondern trifft den Wohnungseigentümer / Teileigentümer im Verhältnis zu seinem Mieter / Pächter. Soweit der vermietende Wohnungs- bzw. Teileigentümer aufgrund von Miet- bzw. Pachtausfällen seine Finanzierung nicht aufbringen kann, mag er als Verbraucher im Einzelfall durch die Regelungen zum Darlehensrecht gemäß Art. 240 § 3 EGBGB geschützt sein.

4. Infektionsfälle

Bei Infektionsfällen in einer Wohnungseigentumsanlage ist der Verwalter gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO zur Erfüllung der sich aus § 16 Abs. 2 S. 2 und 3 Infektionsschutzgesetz ergebenden Pflichten berechtigt und verpflichtet, den Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes das Grundstück, Räume, Anlagen, Einrichtungen sowie sonstige Gegenstände zugänglich zu machen und Auskünfte zu erteilen. Dass die Reinigungsfachkräfte zur gründlichen Reinigung von Treppengeländern usw. angehalten werden sollten, bedarf keiner Erwähnung. – Die öffentliche Nennung von Erkrankten käme zum Schutz der lebenswichtigen Interessen einer anderen natürlichen Person gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. d) DSGVO in Betracht, doch wird der Verwalter von einer Erkrankung kaum Kenntnis erhalten.

5. Informationsverhalten

Die allgemeine Information aller Wohnungseigentümer durch Aushänge, Brief oder E-Mail (bei verdecktem E-Mail-Verteiler [„bcc“]) ist unproblematisch zulässig. Die Vorgaben des Datenschutzes sind im Übrigen nicht gelockert.

IV. Ausblick

Die vorstehende Übersicht zeigt, dass die Zahlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund der fortbestehenden Beitragspflicht ihrer Mitglieder gesichert ist. Auch ihre Handlungsfähigkeit ist regelmäßig in ausreichendem Maße durch die Kompetenz des Verwalters für die laufende Instandhaltung und die dringende Instandsetzung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG gegeben. Bei einem der Situation angemessenen Verständnis der Regelung bedarf es deshalb einer umfassenden Ermächtigung des Verwalters gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG nicht, selbst wenn diese im Einzelfall noch erfolgen könnte.

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