Von Wegen und Irrwegen
Wohnungseigentümer können vereinbaren, dass ein Wohnungseigentümer an einem Raum, einer Fläche, einem wesentlichen Gebäudebestandteil oder an einer Anlage oder Einrichtung besondere Rechte, vor allem Gebrauchsrechte, zustehen sollen. Liegt es so, spricht man gemeinhin von einem Sondernutzungsrecht. Dieser Begriff, der bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts „herumgeisterte“, hat sich in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts etabliert und ist heute jedem im Wohnungseigentumsrecht Tätigen geläufig.
Das Sondernutzungsrecht wirkt auf den Jedermann wie etwas „Besonderes“, wie etwas, dass wir nicht als einfache Vereinbarung ansehen dürfen. Die meisten werden die Sondernutzungsrechts-Mysterien kennen, etwa dass man ein Sondernutzungsrecht nur auf einen Wohnungseigentümer übertragen und dass es nur am gemeinschaftlichen Eigentum bestehen kann. Ferner werden die meisten „wie aus der Pistole geschossen“ wissen, dass man nach ganz herrschender Meinung Sondernutzungsrechte verkaufen und übertragen kann, wenn auch nicht belasten. Manch einer wird auch wissen, dass Sondernutzungsrechte gutgläubig erworben werden können soll und dass man sie als einen Vermögenswert ansieht – jedenfalls schuldrechtliche Sondernutzungsrechte sollen daher gepfändet werden können. Schließlich subsumieren Juristen unter den Begriff „Sondernutzungsrecht“, und versuchen die Rechte und Pflichten des Berechtigten dem Begriff zu entlocken (das, was sie vorher reingesteckt haben?).
Ich selbst fühle mich dann immer wie im Märchen. Erden wir uns also. Es geht bei einem „Sondernutzungsrecht“ um eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer für ihr Verhältnis untereinander. Einem Wohnungseigentümer sind durch diese Vereinbarung besondere Rechte (Gebrauch, Nutzung, Baurechte) und – hoffentlich – besondere Pflichten (Erhaltungskosten, Betriebs- und Verwaltungskosten) auferlegt. Das ist es. Nicht mehr und nicht weniger. So ein Recht kann man weder kaufen, verkaufen noch übertragen. Möglich ist hingegen, dass die Ausgangsbestimmung einen anderen Berechtigten nennt. Diese Änderung muss vereinbart werden – wobei ggf. ein Wohnungseigentümer die anderen Wohnungseigentümer vertreten kann. Wer eine solche Vertretungsmacht hat, muss von den Wohnungseigentümern bestimmt werden. Und zwar klar, einfach und transparent. Dies zeigt, dass man die Berechtigung nicht „verkaufen“ noch dass ein Dritter diese gutgläubig erwerben kann. Ferner wird so klar, dass die Berechtigung aus einer Vereinbarung nicht der Zwangsvollstreckung unterworfen sein kann: Nach welcher Norm sollte das Zwangsvollstreckungsgericht auf eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer (= nach der eine Person aus einer Vereinbarung berechtigt und verpflichtet ist) einwirken und gegebenenfalls eine andere Person bestimmen können?
Warum aber meinen das alle? Warum steht das so überall? Nun, das liegt daran, dass sich Begriffe und Ideen, getragen von ihren Schöpfern und Nachfolgern, verselbständigen und die Köpfe verwirren. Niemand guckt mehr auf Anfang und Wurzel, alle wollen wie der kleine Häwelmann immer „weiter und weiter“. Dogmatik, sauberes Arbeiten und klares Denken wird dabei über Bord geworfen. Daran wird man in Bezug auf Sondernutzungsrechte auch nichts mehr ändern können – niemand muss wohl eine weitere „Jahrhundertentscheidung“ befürchten.
Die „causa Sondernutzungsrecht“ und ihre teilweise wundersamen Auswüchse sollte uns allen aber Warnung sein, soweit es irgend geht, stets „sauber“ zu arbeiten und zu denken, Begriffe zu bilden und diese ernst zu nehmen. Freilich: Auch beim Verband Wohnungseigentümergemeinschaft sind wir auf dem besten Weg ist Nirgendwo. Denn diesem dichten die Gerichte immer mehr Rechte und Pflichten zu und „enteignen“ gleichsam Wohnungseigentümer und Verwalter. Schritt für Schritt. Sage keiner, niemand habe wenigstens hier nicht gewarnt!