25.06.2020

Abziehbarkeit vergeblicher Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit

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Prof. Dr. Elke Böing

Streitig war in beiden Revisionsverfahren die Abzugsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit: Im Verfahren II R 29/16 hatte die Klägerin (als Rechtsnachfolgerin des Miterben B) vergeblich einen Prozess gegen ein Museum zur Herausgabe einer Porzellansammlung geführt, die der Erblasser dem Museum geschenkt hatte. Im Nachlass hatte sich außerdem ein Miteigentumsanteil an einem Mietwohngrundstück befunden, den die Miterben verkauft hatten. Die Käufer des Grundstücks leisteten an den bisherigen Mieter i.R. einer Räumungsklage eine Zahlung von 15.000 €. Die Erben erstatteten daraufhin vertragsgemäß den Käufern diesen Betrag zzgl. Rechtsanwaltskosten und eines pauschalen Schadensersatzes wegen verspäteter Räumung der Wohnung. Diese Aufwendungen machten sie anschließend i.R. eines Zivilprozesses vergeblich gegen den Mieter geltend. Die Klägerin begehrte daraufhin als Gesamtrechtsnachfolgerin des zwischenzeitlich verstorbenen Miterben B die Berücksichtigung von Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG. Dabei machte sie rd. 112.000 € für den Prozess zur Herausgabe der Porzellansammlung und rd. 50.0000 € für den Rechtsstreit gegen den Mieter geltend. Zu den Kosten gehörten u.a. Honorare, die der Ehemann der Klägerin für anwaltliche Leistungen von dem zwischenzeitlich verstorbenen Miterben B für die Durchführung mehrerer Verfahren erhalten haben soll. Das FG wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg v. 25.3.2015 – 11 K 448/01, ErbStB 2017, 199 [Halaczinsky]).

Im Verfahren II R 6/17 war der Kläger neben seinem Bruder Erbe der im Jahr 2012 verstorbenen Mutter. In den Jahren vor dem Tod hatte der Bruder, der das Vermögen der Mutter verwaltete, Beträge von rd. 345.400 € vom Konto der Erblasserin abgehoben sowie weitere Überweisungen und Abbuchungen i.H.v. rd. 94.000 € veranlasst. Der Kläger erhob nach dem Tod der Mutter Stufenklage gegen seinen Bruder auf Auskunft über die Verwendung der Mittel sowie Rückzahlung an die aus ihm und dem Bruder bestehende Erbengemeinschaft. Diese Klage wurde im Berufungsverfahren abgewiesen. Für den Rechtsstreit waren dem Kläger Prozesskosten i.H.v. rd. 15.000 € entstanden. Nach einem vergeblichen Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt und erkannte die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten an (FG Düsseldorf v. 25.1.2017 – 4 K 509/16 Erb, ErbStB 2017, 176 [Günther]).

Der BFH hat die Revision des FA im Verfahren II R 6/17 aus formellen Gründen für begründet erachtet, da die Vorentscheidung dem FA nicht wirksam zugestellt worden war. Im Verfahren II R 29/16 hat der BFH die Revision der Klägerin ebenfalls für begründet erachtet. Beide Verfahren wurden zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die jeweiligen FG zurückverwiesen.

Nach Auffassung des BFH sind Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht hat, als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig. Einem Abzug stehe auch § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG nicht entgegenstehe.

Der Begriff der Nachlassverbindlichkeiten sei grundsätzlich weit auszulegen und umfasse u.a. die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Dazu könnten auch Kosten zählen, die dem Erben durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers entstehen. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses liege vor, wenn die Kosten in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen. Ein sachlicher Zusammenhang sei gegeben, wenn die Klage dazu diene, das Bestehen von nachlasszugehörigen Ansprüchen des Erblassers zu klären oder die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrsche Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und habe der Erbe die Gegenstände in Besitz genommen, so ende der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb.

Dem Abzug der Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeit stehe § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG nicht entgegen. Danach seien Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stünden, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterlägen. Diese Vorschrift gelte aber nur für vom Erblasser begründete Schulden und Lasten und sei nicht auf Nachlassregelungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG anwendbar. Nachlassregelungskosten würden Aufwendungen umfassen, die der Erwerber des Nachlasses nach dem Erwerb zur Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses erbracht habe, so dass es sich schon begrifflich nicht um vom Erblasser herrührende Schulden handele. Das gelte selbst dann, wenn Nachlassregelungskosten darauf abzielten, an sich steuerbefreite Vermögensgegenstände zum Nachlass zu ziehen.

Auf der Grundlage dieser Ausführungen hat der BFH im Verfahren II R 29/16 entschieden, dass die Kosten für den Rechtsstreit mit dem Mieter nicht abzugsfähig sind, da es sich nicht um Nachlassregelungskosten, sondern um Kosten der Nachlassverwertung handele. Die Klage habe nicht dazu gedient, das Bestehen eines nachlasszugehörigen Anspruchs auf Herausgabe der Mietwohnung zu klären, so dass kein sachlicher Zusammenhang mit dem Erwerb bestanden habe. Die Kosten für den Prozess bzgl. der Herausgabe der Porzellansammlung seien dagegen grundsätzlich abzugsfähig. Es sei allerdings durch das FG noch zu beurteilen, ob ein enger zeitlicher Zusammenhang der Kosten mit dem Erwerb vorgelegen habe und ob die Kosten der anwaltlichen Vertretung durch den Ehemann der Klägerin tatsächlich entstanden seien.

Die Revision im Verfahren II R 7/16 hat der BFH wegen fehlender wirksamer Zustellung der Vorentscheidung für begründet erachtet und die Sache an das FG zurückverwiesen. Für diesen zweiten Rechtsgang hat der BFH ohne Bindungswirkung auf die Abzugsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten hingewiesen.

Es ist zu begrüßen, dass der BFH auch vergebliche Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit zum Abzug zulässt, selbst dann, wenn sie darauf abzielen, an sich steuerbefreite Vermögensgegenstände zum Nachlass zu ziehen. Ein Abzug scheidet nur dann aus, wenn es zu überhaupt keinem steuerpflichtigen Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG gekommen ist.

Zu beachten ist, dass nicht alle Prozesskosten anlässlich eines Erbfalls abzugsfähig sind, wie der BFH im Verfahren II R 29/16 deutlich gemacht hat. So scheidet ein Abzug aus, wenn ein Rechtsstreit nicht dazu dient, das Bestehen eines nachlasszugehörigen Anspruchs zu klären, sondern vielmehr mit der Nachlassverwertung im Zusammenhang steht. Die Kosten der Nachlassverwertung sind, ebenso wie die Kosten der Nachlassverwaltung, vom Abzug ausgeschlossen. Insoweit ist eine genaue Abgrenzung der einzelnen entstandenen Kosten erforderlich.

BFH v. 6.11.2019 – II R 29/16 und BFH v. 6.11.2019 – II R 6/17, ErbStB 2020, 177

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