Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG erfasst nur eine Wohnung
Das FG Köln hat mit Urteil vom 30.1.2019 entschieden, dass bei der Auslegung des Begriffs „eine Wohnung“ i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG restriktiv von einem streng nummerischen Verständnis des Rechtsbegriffs auszugehen ist. Von der Steuerbefreiung ist nach dem klaren und ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur eine einzelne Wohnung erfasst.
Zum Sachverhalt: Der Kläger (Kl.) war Alleinerbe seiner im Jahr 2015 verstorbenen Mutter. Im Nachlass befand sich u.a. ein Mehrfamilienhaus mit einer Gesamtwohnfläche von 490 qm, wovon die Erblasserin bis zu ihrem Tod zwei Wohnungen für sich und ihren Sohn, den Kl., innehatte. Die Wohnung im EG war 115 qm groß und räumlich nicht mit der Wohnung im OG (125 qm) verbunden. Beide Wohnungen waren nur über das gemeinschaftliche Treppenhaus erreichbar, welches auch von den übrigen Mietern des Hauses genutzt wurde. Beide Wohnungen wurden von der Erblasserin und dem Kl. gemeinsam genutzt. In der oberen Wohnung befanden sich die Schlafzimmer der Familienmitglieder (auch des Kl.), ein Badezimmer, die Küche und ein Wohnzimmer. In der Wohnung im EG befanden sich zwei Arbeitszimmer, ein Wohnzimmer, ein Badezimmer und eine Küche. Wenn Gäste zu Besuch kamen, wurden diese ausschließlich in der EG-Wohnung empfangen. Seit Oktober 2010 hielt sich die Erblasserin überwiegend in der Wohnung im OG auf. Nach dem Tod seiner Mutter hielt der Kl. an der räumlichen Aufteilung und Nutzungsweise der beiden Wohnungen unverändert fest.
Das FA setzte gegen den Kl. Erbschaftsteuer fest und berücksichtigte dabei eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nur hinsichtlich der Wohnung im OG i.H.v. 103.066 € (Grundstückswert 404.015 € x 125 qm / 490 qm).
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei und den Kl. nicht in seinen Rechten verletze. Das FA habe zu Recht die Steuerbefreiung für die zweite Wohnung des Kl. im EG des Mehrfamilienhauses versagt.
Bei der Auslegung des Begriffs „eine Wohnung“ i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG sei restriktiv von einem streng nummerischen Verständnis des Rechtsbegriffs auszugehen. Wohnung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG meine die Zusammenfassung mehrerer Räume, die von anderen Wohnungen baulich getrennt sind und die in ihrer Gesamtheit alle für die Führung eines Haushalts notwendigen Einrichtungen, Ausstattungen und Räumlichkeiten umfassen. Dies treffe sowohl auf die obere Wohnung als auch auf die Wohnung im EG zu, so dass zwei Wohnungen vorlägen. Der Wortlaut von § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG spreche jedoch klar und ausdrücklich nur von einer Steuerfreistellung für „eine Wohnung“, die der Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Auch die Schranke der Steuerbefreiung, dass die „Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter“ nicht übersteigen dürfe, zeige eine klare nummerische Bestimmung.
Soweit in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift überhaupt eine Auslegung der Norm möglich sei, werde das gefundene Ergebnis auch von der Entstehungsgeschichte sowie dem Zweck der Norm gedeckt. Die Steuerbefreiungstatbestände des § 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c ErbStG sollen dazu dienen, den gemeinsamen familiären Lebensraum zu schützen und das Familiengebrauchsvermögen krisenfest zumachen. Daraus folge zwingend, dass nur dasjenige Familienvermögen freizustellen sei, welches den unmittelbaren Mittelpunkt des privaten und familiären Lebens, also den Kernbereich, bilde. Dieser eng begrenzte Kernbereich beziehe sich aber auf die Nutzung einer einzigen Wohnung. Nichts anderes ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung. Die Beschränkung der Befreiung auf eine Quadratmeterzahl bei Kindern anstelle eines Betrags solle regional bestehende Unterschiede der Grundstückswerte beseitigen. An der grundsätzlich zahlenmäßigen Begrenzung des Familienheims bestehend aus einem Haus oder einer Wohnung ändere dies aber nichts.
Das Urteil ist rechtskräftig, so dass der BFH zu der Rechtsfrage leider nicht Stellung nehmen wird. Die durch das FG vorgenommene Auslegung ist nicht unumstritten. Die Formulierung in § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG „soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat“ kann auch so verstanden werden, dass es sich dabei nur um einen unbestimmten Artikel handelt und auch mehrere Wohnungen in einem Haus begünstigt sein können (in diesem Sinne auch Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG/BewG, 5. Aufl. 2017, § 13 ErbStG Rz. 38). Voraussetzung ist aber, dass – wie im Streitfall – beide Wohnungen zusammen genutzt werden und sich dort insg. der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet.
Davon zu unterscheiden sind die Fälle einer Zweit- oder Nebenwohnung. Hier liegen zwar ebenfalls zwei selbstgenutzte Wohnungen vor, jedoch befindet sich nur in der Hauptwohnung der Mittelpunkt des familiären Lebens. Für Zweit- oder Nebenwohnungen kann daher keine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a–4c ErbStG in Anspruch genommen werden (vgl. BFH v. 18.7.2013 – II R 35/11, ErbStB 2013, 368 [Kirschstein]).
Hinweis: Die Steuerbefreiung für das Familienheim ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Dabei zeichnet sich von Seiten der Finanzverwaltung und der FG-Rspr. zunehmend eine eher restriktive Haltung ab (zu den aktuellen Entwicklungen unter Berücksichtigung des Entwurfs der neuen Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 s. Knittel, ErbStB 2019, 74 ff.).
FG Köln v. 30.1.2019 – 7 K 1000/17 (rkr.), ErbStB 2019, 192