17.10.2019

Das neue Verbandssanktionengesetz – Reform mit Augenmaß oder Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Portrait von Dr. Christian Brand
Dr. Christian Brand Wissenschaftlicher Assistent, Fachbereich Rechtswissenschaft/Universität Konstanz

Lange hatte es den Anschein, als bliebe Deutschland seinem eingeschlagenen Sonderweg treu und verzichte trotz eines gegenläufigen weltweiten Trends darauf, ein Verbandsstrafrecht zu schaffen. Trotz zahlreicher Anläufe aus Wissenschaft und Praxis, auch hierzulande die Verbandsstrafbarkeit zu etablieren, behielten stets die Skeptiker die Oberhand. Mit der Vorlage eines „Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ vom 15.8.2019 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat sich das Blatt nunmehr gewendet. Dass dieser Entwurf genauso sang- und klanglos in den Schubladen der Ministerialbürokratie verschwinden wird, wie weiland der Entwurf eines Unternehmensstrafrechts aus dem nordrhein-westfälischen Justizministerium steht nicht zu erwarten. Doch hält der Entwurf, was er verspricht – nämlich „eine angemessene Ahndung von Verbandsstraftaten zu ermöglichen“ (RefE, S. 1)?

Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG sieht bei vorsätzlichen Verbandsstraftaten einen Sanktionsrahmen vor, der von zehntausend Euro bis zu zehn Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes reicht. Zwar trifft dieser Sanktionsrahmen nur wirtschaftlich tätige Unternehmen, die einen durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als einhundert Millionen Euro erwirtschaften. Gleichwohl hat sich an § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG erhebliche Kritik entzündet, die der Vorschrift nicht weniger als einen Verstoß gegen die Artt. 103 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG vorwirft (umf. Rübenstahl, ZWH 2019, 233, 240). Richtig daran ist: Der weite Sanktionsrahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG gilt für jede vorsätzlich begangene Verbandsstraftat, auch wenn diese lediglich dem Bereich der leichten bzw. mittleren Kriminalität entstammt (dazu Rübenstahl, ZWH 2019, 233, 239). Allerdings erscheint die Prognose, die Gerichte würden bei der Festsetzung der Verbandsgeldbuße eher nach oben tendieren (Rübenstahl, ZWH 2019, 233, 240), dann doch etwas zu pessimistisch.

Problematischer als der weite Sanktionsrahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG, der es den Gerichten immerhin ermöglicht, auf unterschiedliche Kriminalitätsformen angemessen und mit Augenmaß zu reagieren, ist § 9 Abs. 2 Satz 2 E-VerSanG. Danach bemisst sich der durchschnittliche Jahresumsatz, der Grundlage der Verbandsgeldsanktion gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 E-VerSanG ist, am weltweiten Umsatz aller natürlichen Personen und Verbände, die mit dem beschuldigten Verband als wirtschaftliche Einheit operieren. Damit ermöglicht es § 9 Abs. 2 Satz 2 E-VerSanG seinem Wortlaut nach, die Höhe der Verbandsgeldsanktion auch gegen konzernabhängige Gesellschaften anhand des Gesamtkonzernumsatzes festzusetzen, da diese Gesellschaften mit der herrschenden Gesellschaft ebenfalls als „wirtschaftliche Einheit operieren“. Die Wirtschaftskraft von Gesellschaften die knapp die Umsatzschwelle des § 9 Abs. 2 Satz 1 E-VerSanG überschreiten, dürfte das nicht selten überfordern. Sollte der Wille des Gesetzgebers indes dahingehen, eine Umsatzzurechnung nur von unten nach oben zu ermöglichen, wäre eine entsprechende Klarstellung wünschenswert.

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