New Kid in Town: Was bringt die größte Reform des Umwandlungsrechts?
Das Gesellschaftsrecht gilt mitunter als das „hottest game in town“ (Buxbaum, 18 Del. J. Corp. L. 867, 868 [1993]). Geht man von dieser These aus, stellt das Umwandlungsrecht ein ganz besonderes Viertel dieser Stadt dar, das wiederum einen jungen und modernen Block beheimatet: das grenzüberschreitende Umwandlungsrecht. Hier bewegt sich in den letzten Jahrzehnten mehr als sonst irgendwo im Stadtgebiet. Das Umwandlungsrecht wurde in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Bereichen harmonisiert und erfuhr einige Kodifikationen (ausführlich Heckschen/Knaier - erscheint in GmbHR 10/2022 Rz. 2-9). Triebfeder für europäische Richtlinien war dabei oftmals auch der EuGH und dessen Interpretation der Niederlassungsfreiheit der Art. 49, 54 AEUV. Jüngstes Legislativprojekt auf EU-Ebene ist hierbei die Umwandlungsrichtlinie. Diese gilt es bis zum 31.1.2023 in mitgliedstaatliches Recht umzusetzen. Hierfür liegt nun ein Referentenentwurf vor.
Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend, mein Block
Dieses New Kid in Town bringt frischen Wind in das Umwandlungsrecht, in vielerlei Hinsicht. Der UmRUG-RefE setzt in erster Linie die Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie um und schafft für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel unter Beteiligung von AG, KGaA und GmbH ein rechtssicheres unionsweit kompatibles Verfahren, bei dem die beteiligten Handelsregister digital miteinander kommunizieren. Damit einher gehen weitere Änderungen des UmwG, die teilweise auch für nationale Umwandlungsvorgänge innerhalb Deutschlands gelten. Zudem wird das Spruchverfahrensgesetz reformiert, um das Verfahren zu beschleunigen, ohne dabei die Rechte der Beteiligten zu beschneiden. Strukturell wird sich künftig das Sechste Buch mit grenzüberschreitenden Umwandlungen befassen, während das bisherige Sechste Buch und das Siebte Buch ein Buch nach hinten rücken. Die §§ 305–319 UmRUG-RefE behandeln die grenzüberschreitende Verschmelzung, die §§ 320–332 UmRUG-RefE die grenzüberschreitende Spaltung und die §§ 333–345 UmRUG-RefE den grenzüberschreitenden Formwechsel.
Das gesamte Stadtbild des Viertels wird also umgestaltet. Erfreulicherweise bleibt man hierbei jedoch authentisch, denn der Referentenentwurf nutzt den Begriff „grenzüberschreitender Formwechsel“ und entspricht damit der hergebrachten deutschen Begriffsverwendung anstatt auf die für diesen Vorgang in der deutschen Fassung der Umwandlungsrichtlinie verwendete Bezeichnung „grenzüberschreitende Umwandlung“ zurückzugreifen, da letztere nach deutschem Verständnis einen Oberbegriff für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel bildet (Begr. UmRUG-RefE, S. 52).
Alte Bausubstanz und neues Leben
Aber nur weil das Viertel moderner wird, muss man nicht alles abreißen. Die Umsetzung soll unter möglichst weitgehender Wahrung der Grundsätze und Systematik des deutschen Umwandlungsrechts erfolgen (Begr. UmRUG-RefE, S. 52). Dementsprechend nutzt der Referentenentwurf auch die baukastenartige Verweisungstechnik, die dem UmwG inne wohnt. Nach §§ 305 Abs. 2, 320 Abs. 2 bzw. 333 Abs. 2 UmRUG-Ref-E gelten für die grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen die für das innerstaatliche Pendant geltenden Regeln entsprechend, insoweit sich aus den Sonderregelungen für die jeweilige grenzüberschreitende Variante nichts anderes ergibt (dazu J. Schmidt, Der UmRUG-Referentenentwurf: grenzüberschreitende Umwandlungen 2.0 – und vieles mehr [Teil 1] - erscheint in NZG 13/2022, 579).
Wenn man aber schon renoviert, kann man dabei auch gleich Risse und Fehler an der in die Jahre gekommenen Bausubstanz beseitigen. Der nationale Gesetzgeber sollte entsprechend dem jetzt vorgelegten Referentenentwurf jeweils überprüfen, inwieweit Vorschriften, die für transnationale Umwandlungen gem. §§ 305 ff. UmRUG-RefE gelten, nicht auch für rein nationale Umwandlungen Anwendung finden. Hier gilt es zu beachten, dass die beteiligten Rechtsträger sehr einfach durch Einbeziehung eines ausländischen Rechtsträgers mit Sitz in der EU/EWR aus einem nationalen Umwandlungsvorgang in einen grenzüberschreitenden Verschmelzungs- oder Spaltungsvorgang wechseln können. Weiterhin ist es sinnvoll, Redaktionsversehen und Unstimmigkeiten des nationalen Umwandlungsrechts (vgl. u.a. §§ 125 S. 1, 142 Abs. 1 UmwG) zu beseitigen. Das UmRUG will auch aus diesem Grund tief in das nationale Umwandlungsrecht (vgl. insbesondere §§ 14, 15 UmRUG-RefE) eingreifen.
Nicht ohne mein Team
Egal wie lebenswert, hip oder im Trend ein Viertel auch erscheinen mag, wäre es doch nichts ohne die Personen die es ausmachen. Und diese müssen sich sicher und wohl fühlen, sodass aus einem Inbezirk keine No-go-Area wird. Dementsprechend geht mit dem UmRUG-RefE auch ein umfassendes Konzept zum Schutz der an den Umwandlungsmaßnahmen beteiligten Stakeholder einher (dazu ausführlich Heckschen/Knaier - erscheint in GmbHR 10/2022 Rz. 21-27).
Der Gläubigerschutz (dazu ausführlich Heckschen/Knaier - erscheint in GmbHR 10/2022 Rz. 21-25) wird sowohl bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung als auch bei der grenzüberschreitenden Spaltung und dem grenzüberschreitenden Formwechsel an mehreren Stellen des Verfahrens berücksichtigt. Im Mittelpunkt steht der Bericht des unabhängigen Sachverständigen, der ohnehin für jede Umwandlung erstellt werden muss – zumindest zur Prüfung der Barabfindung, bei Verschmelzung und Spaltung auch zur Prüfung des Umtauschverhältnisses. Gläubiger können wie bisher Sicherheiten verlangen, wenn sie Forderungen haben, die vor Offenlegung der Verschmelzung bestanden, aber nicht fällig waren. Doch kein Städtebau ohne Diskussion: Wie kann man in diesem Zusammenhang einen Missbrauch der Gläubigerrechte verhindern? Eine überzeugende Lösung für die Problematik ist in der Literatur bisher noch nicht gefunden worden. Diese könnte möglicherweise in der Eröffnung eines Verfahrens analog § 16 Abs. 3 und 6 UmwG bestehen.
Zentrales Instrument des Schutzes der Minderheitsgesellschafter (dazu ausführlich Heckschen/Knaier - erscheint in GmbHR 10/2022 Rz. 26) ist das Austrittsrecht gegen Barabfindung. Die §§ 313 Abs. 2 (grenzüberschreitende Verschmelzung und über Verweis in § 327 auch für grenzüberschreitende Spaltung), 340 Abs. 2 (grenzüberschreitender Formwechsel) regeln im UmRUG-RefE das Austrittsrecht gegen Barabfindung. Demnach muss der Anteilsinhaber, der eine Annahme des Barabfindungsangebots beabsichtigt, diese Absicht zunächst dem Unternehmen binnen einer Frist von einem Monat nach der Anteilseignerversammlung kundtun. Dies bedeutet noch keine Annahme des Angebots. Diese Erklärung ist auch elektronisch möglich und bedarf selbst dann, wenn es sich beim betroffenen Unternehmen um eine GmbH handelt, nicht der notariellen Beurkundung. In einem zweiten Schritt allerdings muss dann das Angebot binnen weiterer zwei Monate förmlich angenommen werden. Daneben tritt bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen zusätzlich ein Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses (§§ 305 Abs. 2, 15 UmRUG-RefE für die grenzüberschreitende Verschmelzung und §§ 320 Abs. 2, 125 Abs. 1 S. 1, 15 UmRUG-RefE für die grenzüberschreitende Spaltung).
Kein Bauprojekt ohne städtebauliche Diskussionen: Sowohl für grenzüberschreitende wie auch (endlich) für nationale Umwandlungen wird den Anteilseignern des Zielrechtsträgers das Spruchverfahren eröffnet. Gleichzeitig können sie die Maßnahme nicht mehr mit dem Argument angreifen, das Umtauschverhältnis sei unangemessen oder die Informationen dazu wären unzureichend. Zunächst bindet ein Spruchverfahren aber Liquidität. Teilweise wird eine sog. Ersetzungsbefugnis gewährt: anstatt Geld dürfen Aktien gewährt werden. Reicht das? Hier und bei der Ausgestaltung dieser Befugnis werden heftige Diskussionen nicht ausbleiben
Die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie stärkt den Schutz der Arbeitnehmerrechte durch mehr Transparenz und Information (siehe auch J. Schmidt, Der UmRUG-Referentenentwurf: grenzüberschreitende Umwandlungen 2.0 – und vieles mehr [Teil 1] - erscheint in NZG 13/2022, 579). So sind nun etwa umfassende und frühzeitige Berichtspflichten für die Arbeitnehmer vorgesehen. Gleichzeitig mit dem UmRUG-RefE wurde durch das BMAS ein Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (UmRUGMitbest-RefE) veröffentlicht Der UmRUGMitbest-RefE (ausführlich hierzu Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! Teil II unter VI.) will zur Umsetzung der Art. 86l und 160l Gesellschaftsrechts-RL über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitender Spaltung und Formwechsel ein neues Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG) schaffen. Soweit inhaltliche Parallelen zum SE-Recht und zur grenzüberschreitenden Verschmelzung bestehen, orientieren sich die Regelungen an bestehenden Gesetzen, dem Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG) und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG). Darüber hinaus wird das MgVG punktuell geändert.
Unternehmensumwandlung nur oldschool oder auch digital?
Im restlichen Gesellschaftsrechtsbezirk hallt allerorts die Digitalisierung durch die Gassen. Von der virtuellen Hauptversammlung über das DiRUG bis hin zum DiREG wird alles digitaler. Dem kann sich auch das Umwandlungsrecht nicht erwehren, auch wenn der UmRUG-RefE hierzu weitgehend schweigt. Neben der digitalen Kommunikation zwischen den Registern bei grenzüberschreitenden Umwandlungen dürfte das notarielle Online-Verfahren nach den §§ 16a ff. BeurkG in der geplanten Fassung durch das DiREG und durch die ebenfalls durch selbiges zugelassene Sachgründung in diesem Verfahren dazu führen, dass sämtliche innerstaatliche und grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge, die mit einem gründungsgleichen Vorgang einhergehen, auch digital möglich sein werden (dazu Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtli-nienumsetzung! Teil II unter VII.).
In ist, wer drin ist
Letztlich lebt die Wertigkeit eines Inviertels auch von dessen Exklusivität. Die neu geschaffenen Verfahren sollen auf deutscher Seite für die AG, die KGaA und die GmbH und damit auch ihrer Rechtsformvariante der UG (haftungsbeschränkt) zur Verfügung stehen (§§ 305, 306 UmRUG-RefE). Hinsichtlich der Beteiligung ausländischer Unternehmensträger wird auf Art. 119 Nr. 1 Gesellschaftsrechts-RL verwiesen, der wiederum Anhang II der Gesellschaftsrechts-RL in Bezug nimmt. Hinzutreten muss, dass die an der Umwandlung beteiligte Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Vertragsstaats des EWR gegründet worden sein muss und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat der EU oder im EWR hat. Damit wird den Vorgaben des Art. 119 Gesellschaftsrechts-RL Rechnung getragen. Zugleich wird die Option des Art. 120 Abs. 2 Gesellschaftsrechts-RL genutzt. Genossenschaften werden nicht zu den grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen auf deutscher Seite zugelassen. Ebenso wird den zahlreichen Forderungen (s. etwa Bayer/J. Schmidt, BB 2019, 1922, 1935; Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 300, 302; Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 353, 354; Bungert, FS Krieger, 2020, 109, 110 f.; Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61, 63) nach einer überschießenden Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie durch eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Personengesellschaften nicht entsprochen. Auch Drittstaatengesellschaften bleibt der Zugang verweht, sodass sich diese nach Alternativen umsehen müssen (ausführlich hierzu Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! Teil II unter VII.).
Prof. Dr. Heribert Heckschen ist seit 1990 Notar in Dresden (Heckschen & van de Loo - Notare). Seit 1986 referiert und veröffentlicht er zu Fragen des Gesellschafts-, Insolvenz- und Erbrechts, insbesondere zur Unternehmensnachfolge. Er wurde mehrfach vom Rechtsauschuss des Bundesministeriums der Justiz zu Fragen des Umwandlungs- und Personengesellschaftsrechts als Sachverständiger hinzugezogen, zuletzt im Rahmen des MoPeG und des UmRUG. Er leitet seit 20 Jahren die Gesellschaftsrechtliche Jahresarbeitstagung des DAI sowie ein Seminar zum Umwandlungsrecht. Seit 2015 referiert Prof. Dr. Heckschen regelmäßig beim Deutschen Steuerberatertag zur Unternehmensnachfolge.
Ralf Knaier ist Wissenschaftlicher Referent am Deutschen Notarinstitut und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Handels- und Gesellschaftsrecht (Prof. Dr. Christoph Teichmann) an der Julius-Maximilians-Universität jeweils in Würzburg. Seit 2014 referiert und veröffentlicht er regelmäßig zu Fragen des deutschen und europäischen Unternehmensrechts, insbesondere im Bereich des Umwandlungsrechts und des GmbH-Rechts.