Koalitionsverhandlungen professionell führen
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.", heißt es ein wenig pathetisch in Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes. Die gut einen Monat zurückliegenden Wahlen zum Bundestag sind insofern das Hochfest der Demokratie. Die Bürger stimmen ab und bestimmen so, wie es im Land weiter geht. Schön wär's! Tatsächlich ist das nur die halbe Wahrheit. Denn nach dem Wählervotum stehen allein die Stimmverhältnisse im Deutschen Bundestag fest. Welche Parteien am Ende eine Regierungskoalition bilden und welches Regierungsprogramm dann zur Realpolitik wird, all das hängt nicht mehr von den getroffenen Wahlentscheidungen ab, sondern ist das Ergebnis von Verhandlungen zukünftiger Koalitionspartner.
Nun hofft der Bürger natürlich, dass diese Verhandlungen allein inhaltlich geführt werden, also über den Austausch von Argumenten und politischen Positionen sowie das gemeinsame Ringen um die beste Lösung. Doch Hand auf's Herz: Nüchtern betrachtet wird kaum eine Partei sich durch noch so gute inhaltliche Argumente von den Positionen abbringen lassen, die man über die Wahlprogramme dem Volk als "richtig" präsentiert hat. Inhaltliche Debatten mag es auch in den Koalitionsverhandlungen geben, doch die Kraft der Argumente für die richtige Klimapolitik, den angemessenen Mindestlohn oder die angezeigte Staatsfinanzierung wird am Ende kaum den Ausschlag geben. Tatsächlich entscheiden jetzt die richtige Verhandlungstaktik und gutes Verhandlungsgeschick der Protagonisten über politische Realitäten und über die zukünftige Ausgestaltung der Bundesrepublik.
Die Durchsetzung von politischen Positionen und die Besetzung politischer Posten hängt davon ab, wie professionell die Koalitionsverhandlungen geführt werden. Das richtige Verhandlungsdesign kann da entscheiden: Wer spricht wann mit wem worüber? Führen die Parteien Basarverhandlungen über die Höhe des Mindestlohns und erreichen so schließlich einen Formelkompromiss oder schließen sie im Wege des Logrollings allseits profitable Tauschgeschäfte ab, etwa indem ein Nachgeben im Bereich des Mindestlohns durch einen Verzicht auf die Vermögenssteuer kompensiert wird. Gibt es statt zermürbender Personaldebatten - oft unter Verletzung der Beziehungsebene ad personam geführt - eine Verhandlung und schließlich Einigung über das richtige Besetzungsverfahren, das im zweiten Schritt dann nur noch umgesetzt wird? Und wie schaffen es die Verhandlungsführer der Parteien, bei aller Hartnäckigkeit der Interessendurchsetzung trotzdem die Vertrauensbasis und damit die Parteibeziehung zwischen den zukünftigen Koalitionären zu stärken? Denn ohne diese weiche Faktoren wird keine Koalition die vierjährige Legislaturperiode überleben. Das sind schwierige Fragen, bei deren Beantwortung die Verhandlungs- und Mediationsforschung durchaus helfen kann. Wie genau das aussehen könnte, kann man in dem Beitrag "Koalitionsverhandlungen - aus Verhandlungsforschung und Mediation lernen" nachlesen, und zwar in der Dezember-Ausgabe der ZKM und als kostenloser Download schon heute.
Hinweis der Redaktion: Das Heft 6/2021 wird Mitte Dezember ausgeliefert und kann hier im Rahmen eines kostenlosen Probeabos angefordert werden.