Nds. Entwurf einer Verordnung über das Entfallen von Gerichtsgebühren bei außergerichtlicher Konfliktbeilegung
Endlich – in Niedersachsen hilft die Regierung der außergerichtlichen Mediation (ein wenig) auf die Beine! Mit Art. 7 Nr. 1 des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ( MediationsFöG), gültig ab dem 26.7.2012, fügte der Gesetzgeber mit dem Ziel der Förderung der außergerichtlichen Mediations § 69b in das Gerichtskostengesetz (GKG) ein. Gemäß dieser Vorschrift wurden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die von den Gerichten der Länder zu erhebenden ermäßigten Gerichtskosten weiter ermäßigt werden oder gänzlich entfallen, wenn sich ein Gerichtsverfahren aufgrund einer außergerichtlichen Mediation oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung durch Klage-oder Antragsrücknahme endgültig erledigt.
Diese Förderungsmöglichkeiten der außergerichtlichen Konfliktbeilegung wurde von den Landesregierungen lange ignoriert, obwohl seit Geltung des § 278 Abs. 5 ZPO (Güterichterverfahren) und des § 278a ZPO (außergerichtliche Konfliktbeilegung) gemäß Art. 2 Nr. 5 und 6, Art. 4 Nr. 1 und 2, Art. 5, Art. 6 und Art. 8 MediationsFöG stets beklagt wurde, dass die außergerichtliche Mediation gegenüber dem Güterichterverfahren schon aus Kostengründen chancenlos sei.
Die Landesregierung Niedersachsen hat nunmehr am 19.6. 2018 als bundesweite Vorreiterin beschlossen, künftig bei einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung – allerdings nur – vor den Fachgerichten die Gerichtsgebühren komplett entfallen zu lassen, siehe Presseinfo Nds. Staatskanzlei v. 19.6.2018. Bedingung hierfür ist entsprechend § 69b GKG gemäß § 1 Nr. 3 des niedersächsischen Verordnung-Entwurfs entweder bereits in der Klage- oder Antragsschrift mitgeteilt wird, dass ein außergerichtliches Konfliktbeilegungsverfahren bereits begonnen hat oder beabsichtigt ist, oder das Gericht den Parteien die Durchführung einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorgeschlagen hat.
Dass der Wegfall der Gerichtskosten nur für die Fachgerichtsbarkeit gelten soll, begründet die niedersächsische Regierung damit, dass vor den Fachgerichten Klagen oder Anträge nur innerhalb kurz bemessener Fristen möglich seien, so dass eine gütliche Einigung noch vor Klage- oder Antragserhebung oft nur schwer möglich sei und deshalb eine außergerichtliche Konfliktbeilegung erst gar nicht versucht werde. Bei den Zivilverfahren bestehe hingegen kein derartiger Fristendruck, da durch außergerichtliche Maßnahmen wie z.B. einem Antrag bei einer Streitbeilegungsstelle (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB) oder durch Einleitung der Mediation (§ 203 BGB) Verjährungshemmung erreicht werden könne. Auch könnten die Parteien eines Zivilverfahrens aufgrund des Wegfalls der Gerichtskosten verleitet werden, voreilig Klage zu erheben.
Dieser Begründung für die bedauerliche Beschränkung der geplanten Rechtsverordnung auf die Fachgerichtsbarkeiten ist entgegenzuhalten, dass in den den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsverfahren vorgeschalteten Verwaltungsverfahren ebenfalls wie in den Zivilverfahren durch außergerichtliche Maßnahmen, z.B. durch die Aussetzung der Vollziehung oder durch das Ruhendstellen des Widerspruchs-/Einspruchsverfahrens, für die Dauer einer außergerichtlichen Mediation dem Fristendruck erfolgreich entgegengewirkt werden könnte.
Was steckt also tatsächlich hinter der Förderung der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nur im Bereich der Fachgerichtsbarkeiten? Es zu vermuten, dass die Landesregierung Niedersachsen einerseits die außergerichtliche Mediation fördern will und andererseits den potentiellen Gebührenwegfall nur in den Fachgerichtsbarkeiten bei Umsetzung von § 69b GKG für überschaubar und finanzierbar hält. Denn in den Verfahren der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit trägt die öffentliche Hand eh häufig zumindest einen Teil der Gerichtskosten selbst. Zudem will die Landesregierung Niedersachsen durch den Wegfall der Gerichtskosten für außergerichtliche Konfliktbeilegungsverfahren im richterlichen Dienst und dort explizit durch Wegfall von Güterichterverfahren (so unter A. IV der Entwurfsbegründung) Kosten sparen.
Als Güterichterin und außergerichtliche Mediatorin finde ich es schade, dass die sinnvolle Förderung der außergerichtlichen Konfliktbeilegung durch die geplante niedersächsische Rechtsverordnung anscheinend zulasten des Güterichterverfahrens erfolgen soll. Dabei dürfte der niedersächsischen Landesregierung doch bewusst sein, dass unabhängig von der Umsetzung des § 69b GKG es allein im pflichtgemäßen Verfahrensermessen des streitentscheidenden Richters steht, für welches alternative Konfliktbeilegungsverfahren er sich entscheidet.
Unabhängig hiervon bleibt abzuwarten, welches Verfahren die Parteien, die im gerichtlichen Verfahren keine kontradiktorische Entscheidung wünschen, präferieren werden: – das fachgerichtliche Güterichterverfahren, bei dem der Güterichter nichts kostet und die Gerichtskosten bei Konfliktbeilegung zu 50 Prozent ermäßigt werden oder – das außergerichtliche Konfliktbeilegungsverfahren, für das der Mediator extra bezahlt werden muss und das bei Konfliktbeilegung gerichtskostenfrei ist.
Auch wenn die Initiative des Landes Niedersachsen unter dem Strich zu begrüßen ist, steht für mich fest, dass es für das Land Niedersachsen auf Dauer finanziell und auch aus Gründen der Streitkultur günstiger wäre, wenn Mitarbeiter der allgemeinen Verwaltung, Sozialverwaltung und Finanzverwaltung in alternativen Konfliktbeilegungsmethoden geschult würden, damit sie bereits im Verwaltungsverfahren weit vor Beginn von Klagefristen den Bürgern außergerichtliche Konfliktbeilegungsverfahren anbieten können anstatt durch hoheitlich- konfrontatives Verhalten Gerichtsverfahren herbeizuführen.