23.10.2021

Vernetzung und Austausch im Umfeld von Verbraucherstreitbeilegung

Portrait von Felix Braun
Felix Braun Universalschlichtungsstelle des Bundes, Vorstand des Zentrums für Schlichtung e.V.

Im letzten Quartal des Jahres ist der Blick zurück bereits interessant. Trotz Corona gab es regen Austausch zu Verbraucherstreitbeilegung: national, international, breit angelegt, themenspezifisch – und stets online.

Am 09.02. lud das BMJV zum jährlichen Erfahrungsaustausch der Verbraucherschlichtungsstellen. Zentral war hier die Vorstellung des Forschungsvorhabens nach § 43 Abs. 2 VSBG zur Auffangschlichtung. Klare Ergebnisse sind u.a., dass durch diese ein wertvoller Beitrag zur Konfliktlösung in Deutschland geschaffen und der Zugang zum Recht verbessert wurde; betont wurde aber auch, dass die geringe Teilnahmebereitschaft der Unternehmen im Bereich der Auffangschlichtung Frustrationspotential berge. Bei den branchenspezifischen Verbraucherschlichtungsstellen ist die Teilnahme deutlich höher, wenn diese von Mitgliedsunternehmen bzw. Verbänden getragen werden. Derzeit läuft ein weiteres Forschungsvorhaben zur Evaluation der Informationspflichten nach §§ 36, 37 VSBG. Das BMJV stellte ferner seinen neuen Leitfaden Verbraucherschlichtung vor, der ein breites Publikum adressiert und auch gedruckt verfügbar ist.

Am 19.03. fand die von Prof. Dr. Thomas Riehm (Universität Passau) ausgerichtete Konferenz „Digitalisierung und Zivilverfahren: Staatliche Gerichtsbarkeit, Schiedsgerichtsbarkeit und Verbraucherschlichtungsstellen im Austausch“ statt. Hier berichteten u.a. die Universalschlichtungsstelle des Bundes und die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr zu verschiedenen Aspekten der Digitalisierung. Vorteile einer Antragstellung via Online-Formular sind Niedrigschwelligkeit für Nutzer und Reduzierung des Arbeitsaufwandes bei der Schlichtungsstelle. Bei häufig wiederkehrenden Fällen können relevante Punkte durch interaktive, sich je nach Antwort dynamisch konfigurierende Formulare automatisiert abgefragt werden. Derartige Erkenntnisse aus der Praxis können sich auch als wertvoll in Hinblick auf die Einrichtung eines Justizportals erweisen. Die Redebeiträge von Akteuren im Bereich der (teil)automatisierten Streitentscheidung von den Verbraucherrechteportalen Flightright und RightNow zeigte weiter, dass man als Bürger die verschiedenen Methoden der Streitbeilegung in ihrer Gesamtheit einschließlich der jeweiligen Vor- und Nachteile kennen sollte, um sich bewusst für den einen oder anderen Weg zu entscheiden. Im Übrigen können sich die verschiedenen Ansätze gegenseitig befruchten.

Am 04.05. lud die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Fachgespräch zu „Diskriminierungsrisiken im Bereich Zugang zu privaten Gütern und Dienstleistungen: Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung des Diskriminierungsschutzes". Auch hier gewinnt die Erkenntnis, dass verschiedene Ansätze bei der Rechtsdurchsetzung nebeneinander verfolgt werden können und sollten, um je nach Fall die ideale Methode anzuwenden. Hierzu wurde eine Studie vorgestellt, die sich neben der gerichtlichen und behördlichen Rechtsdurchsetzung insbesondere der Schlichtung widmet. Demnach hat Schlichtung auch im Bereich der Antidiskriminierung Potenzial, unter der Prämisse, dass Schlichtung – also auch Verbraucherschlichtungsstellen – bekannter wird und spezifische Kompetenz gegeben ist. Überdies wird der Aufbau einer spezifischen Antidiskriminierungsschlichtungsstelle diskutiert. Als Nicht-VSBG-Stelle käme es dann bisweilen zu einer parallelen Zuständigkeit jener Stelle und von Verbraucherschlichtungsstellen. Es muss leicht sein, zu der Stelle zu finden, die im konkreten Fall am geeignetsten ist. Insgesamt sind also Austausch und Vernetzung zwischen Antidiskriminierungsberatungsstellen und Verbraucherschlichtungsstellen essentiell.

Last but not least fand am 28. und 29.09. die von der EU-Kommission organisierte zweite ADR Assembly statt, zu der sämtliche der über 400 Verbraucherschlichtungsstellen im EWR eingeladen waren. Sie markiert einen ersten Schritt in Richtung einer Evaluation von ADR-Richtlinie und ODR-Verordnung, denn es ging u.a. darum, sich über Erfahrungen zu Kosten, Nutzen, aber auch Herausforderungen verschiedener Modelle auszutauschen. Dem Thema der Digitalisierung (sowohl der Märkte als auch der Schlichtung) wurde ebenfalls viel Raum gegeben; ferner gab es die Möglichkeit zum branchenspezifischen Austausch in den Bereichen Energie, Finanzen, Reisen und Telekommunikation.

Noch ist das Jahr nicht vorbei, aber schon heute kann man sagen, dass Verbraucherstreitbeilegung 2021 weiter an Bedeutung gewonnen hat. Nicht im Sinne einer Revolution - aber im Sinne einer Evolution, wie es schon vor einigen Jahren Prof. Dr. Lars Kirchhoff in Hinblick auf das unternehmerische Konfliktmanagement der Zukunft ausdrückte.

In diesem Sinne: Schreiten wir also weiter voran.

 

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