EuGH-Anwalt hält Regeln zum Fremdbesitzverbot für widersprüchlich
Die große BRAO-Reform hat es ermöglicht: Seit Sommer 2022 dürfen Mediator/innen mit Rechtsanwält/innen eine Berufsausübungsgesellschaft oder auch Bürogemeinschaft bilden. Doch außerhalb der freien Berufe ist es Anwälten und Mediatoren in Anwaltskanzleien bislang verwehrt, mit Nichtselbstständigen eine Anwaltsgesellschaft zu führen. Vor dem Europäischen Gerichtshof wird derzeit ein entsprechender Fall aus Deutschland verhandelt. Dem Verfahren liegt ein Streit der Rechtsanwaltskammer München mit der Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft zugrunde. Die Kammer hatte untersagt, dass die österreichische SIVE Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft 51 Prozent an der Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft übernehmen darf – sie will dort ausschließlich investieren.
Nach bisherigem deutschen Berufsrecht ist das unzulässig, weil nach deutschem Anwaltsgesellschaftsrecht nur Freiberufler Gesellschafter werden können, die dort selbst aktiv tätig sind. Im EuGH-Verfahren zum Fremdbesitzverbot in Deutschland hat Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona in seinen Schlussanträgen die deutschen Regeln zwar grundsätzlich für akzeptabel erachtet, in der Gesamtschau hält er sie aus Sicht des Europäischen Rechts aber nicht für anwendbar. Auf Druck des Bundesverfassungsgerichtes wurden die Rechtsanwaltsgesellschaften in den vergangenen Jahren sukzessive für weitere „freie Berufe“ geöffnet, beispielsweise für Hebammen und Architekten. Diese Auswahl hält Sánchez-Bordona allerdings für recht willkürlich: Warum sollten allein diese Berufsgruppen die Unabhängigkeit der Anwaltschaft nicht gefährden?
Eine weitere Unstimmigkeit in den deutschen BRAO-Regeln sieht der Generalanwalt in der Bedingung, dass der Gesellschafter einer Kanzlei seinen Beruf „aktiv“ ausüben muss. Die Regel sei unscharf und führe im Endeffekt dazu, dass reine Investoren als Gesellschafter nicht infrage kämen. Sollte der EuGH dem Generalanwalt folgen, sehen Marktbeobachter und Kenner der berufsrechtlichen Entwicklung in Deutschland den Gesetzgeber gezwungen, weitere Schritte einzuleiten, insbesondere Investoren Möglichkeiten einzuräumen, sich an Rechtsanwaltsgesellschaften zu beteiligen.
Quelle: www.juve.de v. 5.7.2024
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