Verhandlungskunst bei Anwält/innen ausbaufähig
Eine Rechtslegende besagt, dass Anwälte die besten Verhandler seien. Doch in dieser Disziplin haben Mediatoren im Laufe der Jahre mindestens gleichgezogen. Clever verhandeln können mittlerweile auch Handwerker, Manager und Unternehmer. Nicht zu vergessen Diplomaten und Friedensforscher. Nicht umsonst beschäftigt sich das Anwaltsblatt in der November-Ausgabe in zwei Schwerpunktbeiträgen mit der anwaltlichen Verhandlungskunst. Markus Hartung, einer der Autoren der Ausgabe, postet dazu auf LinkedIn: „Auch wenn ausgebildete Mediatoren nur müde mit den Schultern zucken: Für die Anwaltschaft in der Breite ist das ein hochaktuelles Themenfeld, in dem sie sich deutlich verbessern kann. Das wird gerade in Zeiten von KI / AI wichtig, wenn Anwälte sich überlegen müssen, wo sie künftig noch wertsteigernd tätig werden können.“
Der Journalist Henning Zander hat in seinem Beitrag im Anwaltsblatt „Verhandlungsstrategien – Wenn beide Seiten profitieren“ Statements von Anwälten und Jura-Professoren zur Kunst der Verhandlung eingeholt. Und er räumt gleich mit dem Vorurteil auf, dass Maximalforderungen zu besseren Verhandlungsergebnissen führten. „Es ist in der Regel nicht sinnvoll, Verhandlungen auf Basis von Maximalforderungen zu führen, von denen alle wissen, dass sie ohnehin nicht erfüllbar sind“, sagt Dr. Annette Mutschler-Siebert, Rechtsanwältin und Partnerin bei der Kanzlei K&L Gates LLP. Es dauere dann lediglich länger, um zu einer Lösung zu kommen.
Zander zitiert zudem René A. Pfromm, Honorarprofessor an der Universität Bonn. Er hat beobachtet, dass Verhandeln mittlerweile eine Rolle in der juristischen Ausbildung spiele. Anstelle des intuitiven Verhandelns trete zunehmend eine Professionalisierung. Deshalb fordert Markus Hartung, dass sich auch Anwälte nicht auf ihr angeborenes Verhandlungsgeschick verlassen dürften, sondern ihrer Fortbildungspflicht nachkommen müssten. Dabei gelte auch zu bedenken, dass die Generationen Y und Z anders verhandeln als die Babyboomer, die die Verhandlungskunst noch mit männlicher Durchsetzungsstärke gleichsetzten. Heute stünden ausgleichende Verhandlungsstile und der Minderheitenschutz im Vordergrund.
Quelle: Hartung Anwaltsblatt 2023, 592; Zander Anwaltsblatt 2023, 586