Weniger negative Trigger bei Mediation im virtuellen Raum
Mediation im Online-Setting etabliert sich seit der Coronakrise immer mehr. Welche Vor- und Nachteile virtuelle Mediationen haben, hat Anne Rickert kürzlich im Gespräch mit Springer Online anschaulich erläutert. Anne Rickert befasst sich seit vielen Jahren mit Online-Mediation und eLearning, siehe etwa ZKM 2009, 168 und betreibt in Stuttgart ein Institut für Online Mediation und Moderation. (Im Frühjahr ist ihr Titel „Online-Mediation: Konfliktklärung im virtuellen Raum“ erschienen, besprochen in ZKM 2023, 145)
In der Praxis schätzen viele Menschen die Möglichkeit, online zu kommunizieren. Dennoch kommen technische Störungen vor. Rickert empfiehlt daher, Medianden anzuleiten, die übertragene Datenmenge weitest möglich zu reduzieren, und bereits mit der Einladung Hinweise für gute Tonqualität und optimale Ausleuchtung in der Webcam zu geben. Und – für den Fall, dass die Technik doch einmal versagt – sollte bereits im Vorfeld, das heißt vor der Auftragserteilung, ein Plan B vereinbart werden, z.B. eine Telefonkonferenz oder ein alternatives Webkonferenz-Tool.
Um auch nonverbalen Signale anderer Personen und Nuancen in der Stimme ausreichend wahrnehmen und einschätzen zu können, sei eine gute technische Ausstattung erforderlich. Idealerweise sei auch der Raum, in dem sie sitzt, zu sehen, um auf diese Weise persönliche Informationen zu teilen und eine angenehme Atmosphäre durch Wandfarbe, Bilder oder Blumen im virtuellen Raum zu übertragen. Darüber hinaus geschehe Vertrauensaufbau durch eine empathische Stimmführung, eine innere zugewandte Haltung, die Schulung des Gehörs auf Zwischentöne sowie eine professionelle Online-Moderation, das heißt Verlässlichkeit und Stringenz in der Durchführung der Sitzung.
Die eingeschränkte Sichtbarkeit nonverbaler Signale führt laut Rickert zu einem langsameren Vertrauensaufbau und erschwert es, die emotionale Gestimmtheit der Parteien einzuschätzen. Das erfordere im Zusammenspiel mit der Technik und Kommunikation eine erhöhte Aufmerksamkeit und einen besonders konzentrierten Einsatz von Stimme und Sprache sowie eine aktive, energievolle Haltung vor der Kamera.
Als wesentliche Vorteile der Online-Mediation führt Rickert unter anderem an, dass die Mediation im virtuellen Raum auf Kommunikations- und Beziehungsebene oft eine höhere Effizienz durch konsequentere Moderation und disziplinierteres Redeverhalten verspreche. In bestimmten Fällen, wie Täter-Opfer-Ausgleich, Mobbing-Probleme, starkem Hierarchiegefälle, Wiedereingliederung nach langer Krankheit, ermögliche der Verzicht auf physische Konfrontation oftmals überhaupt erst die Teilnahme an der Mediation. In den eigenen vier Wänden entstehe hier ein geschütztes Gefühl. Das Selbst werde gestärkt, was wiederum Eigenverantwortung und Klarheit im Selbstausdruck erhöhe. Auch negative Trigger wie Augenrollen oder abwertende Gesten kommen im Online-Setting weniger zum Tragen, was zur Deeskalation beiträgt, betont Rickert.
Quelle: www.springerprofessional.de v. 9.8.2023