Abmahnung wegen betriebsverfassungsrechtlicher Pflichtverletzung darf nicht in Personalakte aufgenommen werden
ArbG Stuttgart v. 30.4.2019 - 4 BV 251/18
Der Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin ist eine der führenden Anbieterinnen von Haushaltsgeräten in Deutschland. Bei einem ihrer sechs Standorte im Bundesgebiet ist der antragstellende dreiköpfige Betriebsrat gebildet. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnungen.
Gemäß der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung für Außendienstmitarbeiter ist die Grundlage für die Erstellung der individuellen Arbeitsziele der Außendienstmitarbeiter die zurückliegenden vier Quartale der dem Außendienstmitarbeiter individuell zugeordneten Kunden. In einer E-Mail an alle Außendienstmitarbeiter forderte der Betriebsrat diese auf, ihren individuellen Arbeitsvorgaben zu widersprechen, weil sie damit dem Betriebsrat helfen würden, aus seiner Sicht falsch berechnete Prämienansprüche für die Außendienstmitarbeiter gerichtlich durchzusetzen. Daraufhin mahnte die Arbeitgeberin die Betriebsratsmitglieder ab, da ein solches Verhalten einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. § 2 Abs. 1 BetrVG und die Friedenspflicht gem. § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG darstelle.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnungen statt.
Die Gründe:
Die Abmahnungen sind aus den Personalakten der Betriebsratsmitglieder zu entfernen.
Unabhängig davon, ob die versandten E-Mails gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verstießen, hat der Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung eines Antrags nach § 23 BetrVG mit dem Arbeitsverhältnis der Betriebsratsmitglieder nichts zu tun. Personalakten sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern dürfen dann nicht in die Personalakte aufgenommen werden, wenn zwar individualrechtliche Sanktionen angedroht werden, jedoch die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten gerügt wird.
Nichts anderes gilt, wenn die Arbeitgeberin zwar insoweit konsequent handelt, als sie die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten mit der Androhung betriebsverfassungsrechtlicher Sanktionen verknüpft, dann aber die rein betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen in die ausschließlich die individuellen Arbeitsverhältnisse betreffenden Personalakten aufnimmt. Hierin liegt eine unzulässige Vermengung von individual- und betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten. Durch die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung in einer Personalakte würde die erkennbare Gefahr entstehen, dass diese das berufliche Fortkommen des Betriebsratsmitglieds als Arbeitnehmer beeinträchtigt. Dies würde jedoch gegen das Benachteiligungsverbot in § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen.
Im Übrigen spricht bereits vieles dafür, dass betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen gegenüber Betriebsratsmitgliedern per se unzulässig sind. Für eine Amtsenthebung genüge es nach der wohl herrschenden Literaturansicht nicht, dass aus der subjektiven Sicht des Arbeitgebers eine weitere Zusammenarbeit mit einem Betriebsratsmitglied nicht mehr möglich erscheine. Erforderlich sei vielmehr eine besondere schwerwiegende Pflichtverletzung. Diese Anforderungen seien per se nicht vereinbar mit der Warnfunktion einer Abmahnung, womit die Anerkennung einer Abmahnbefugnis für Pflichtverletzungen, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ohnehin nicht für eine Amtsenthebung ausreichten, im Widerspruch zur gesetzlichen Wertung des § 78 BetrVG stünde.
Linkhinweis:
Für den in der Datenbank des Landes Baden-Württemberg veröffentlichten Volltext des Beschlusses klicken Sie bitte hier.
ArbG Stuttgart online
Die Arbeitgeberin ist eine der führenden Anbieterinnen von Haushaltsgeräten in Deutschland. Bei einem ihrer sechs Standorte im Bundesgebiet ist der antragstellende dreiköpfige Betriebsrat gebildet. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnungen.
Gemäß der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung für Außendienstmitarbeiter ist die Grundlage für die Erstellung der individuellen Arbeitsziele der Außendienstmitarbeiter die zurückliegenden vier Quartale der dem Außendienstmitarbeiter individuell zugeordneten Kunden. In einer E-Mail an alle Außendienstmitarbeiter forderte der Betriebsrat diese auf, ihren individuellen Arbeitsvorgaben zu widersprechen, weil sie damit dem Betriebsrat helfen würden, aus seiner Sicht falsch berechnete Prämienansprüche für die Außendienstmitarbeiter gerichtlich durchzusetzen. Daraufhin mahnte die Arbeitgeberin die Betriebsratsmitglieder ab, da ein solches Verhalten einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. § 2 Abs. 1 BetrVG und die Friedenspflicht gem. § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG darstelle.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnungen statt.
Die Gründe:
Die Abmahnungen sind aus den Personalakten der Betriebsratsmitglieder zu entfernen.
Unabhängig davon, ob die versandten E-Mails gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verstießen, hat der Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung eines Antrags nach § 23 BetrVG mit dem Arbeitsverhältnis der Betriebsratsmitglieder nichts zu tun. Personalakten sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern dürfen dann nicht in die Personalakte aufgenommen werden, wenn zwar individualrechtliche Sanktionen angedroht werden, jedoch die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten gerügt wird.
Nichts anderes gilt, wenn die Arbeitgeberin zwar insoweit konsequent handelt, als sie die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten mit der Androhung betriebsverfassungsrechtlicher Sanktionen verknüpft, dann aber die rein betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen in die ausschließlich die individuellen Arbeitsverhältnisse betreffenden Personalakten aufnimmt. Hierin liegt eine unzulässige Vermengung von individual- und betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten. Durch die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung in einer Personalakte würde die erkennbare Gefahr entstehen, dass diese das berufliche Fortkommen des Betriebsratsmitglieds als Arbeitnehmer beeinträchtigt. Dies würde jedoch gegen das Benachteiligungsverbot in § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen.
Im Übrigen spricht bereits vieles dafür, dass betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen gegenüber Betriebsratsmitgliedern per se unzulässig sind. Für eine Amtsenthebung genüge es nach der wohl herrschenden Literaturansicht nicht, dass aus der subjektiven Sicht des Arbeitgebers eine weitere Zusammenarbeit mit einem Betriebsratsmitglied nicht mehr möglich erscheine. Erforderlich sei vielmehr eine besondere schwerwiegende Pflichtverletzung. Diese Anforderungen seien per se nicht vereinbar mit der Warnfunktion einer Abmahnung, womit die Anerkennung einer Abmahnbefugnis für Pflichtverletzungen, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ohnehin nicht für eine Amtsenthebung ausreichten, im Widerspruch zur gesetzlichen Wertung des § 78 BetrVG stünde.
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