Anerkennung eines Meniskusschadens bei Profihandballer als Berufskrankheit
LSG Baden-Württemberg v. 19.3.2021 - L 8 U 1828/19
Der Sachverhalt:
Der im Jahr 1980 geborene Kläger K spielte seit 1991 Handball, zunächst als Jugendspieler und von Juni 2001 an als Bundesliga-Profispieler wöchentlich rund 20 Stunden bis zum Karriereende Mitte 2015. Im Juli 2004 wurde bei einer Kernspintomographie erstmals eine Innenmeniskusschädigung am rechten Knie festgestellt. Seinen Antrag vom September 2016, seinen Meniskusschaden als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen, lehnte die Berufsgenossenschaft (BG) ab: K habe seit Juni 2001 zwar eine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte und damit zu berücksichtigende gefährdende Tätigkeit als Handballspieler ausgeübt. Eine mehrjährige, zumindest 2-jährige Ausübung der belastenden Tätigkeit liege aber nicht vor. Denn der Verordnungsgeber lege insoweit eine vollschichtige Tätigkeit von 1.600 Stunden pro Jahr zugrunde. Für Personen, die wie K eine Teilzeittätigkeit ausübten, müsse daher eine Einwirkung von mindestens 3.200 Stunden (zwei Jahre mal 1.600 Stunden) nachgewiesen sein. Für die Beurteilung erheblich seien versicherte Zeiten bis zur ersten gesicherten Diagnose eines Meniskusschadens, hier also der Zeitraum Juni 2001 bis zum Auftreten der ersten degenerativen Veränderungen im Bereich des rechten Kniegelenks im Juli 2004. In diesem Zeitraum habe K aber lediglich versicherte Trainings- und Wettkampfzeiten im Umfang von 1.776 Stunden absolviert.
Die hiergegen gerichtete Klage beim SG blieb erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und festgestellt, dass der Innenmeniskusschaden im rechten Kniegelenk des K eine Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anl. 1 der BKV ist.
Die Gründe:
Für die Anerkennung einer BK Nr. 2102 (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) muss das Erscheinungsbild der Tätigkeit durch überdurchschnittliche Meniskusbelastungen geprägt sein. Hierfür bedarf es bei einem Profisportler weder einer bestimmten in Stunden zu berechnenden Mindesteinwirkungsdauer noch einer prozentualen Mindestbelastung.
Beim Handballsport werden die Kniegelenke durch schnelle Richtungsänderungen bei hohem Tempo, häufig auch mit unkontrolliertem Aufkommen auf dem Hallenboden bei Sprungwürfen, überdurchschnittlich belastet. K ist im Zeitpunkt der erstmalig nachgewiesenen Innenmeniskusschädigung am rechten Knie im Juli 2004 auch bereits 3 Jahre und daher mehrjährig überdurchschnittlich meniskusbelastend als versicherter Profihandballer tätig gewesen. Soweit die BG darüber hinaus eine Mindestbelastungsdauer von 3.200 Stunden verlangt, entbehrt dies sowohl einer gesetzlichen als einer wissenschaftlichen Grundlage.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass professionell betriebener Handballsport durch die Intensität der Trainings- und Spielbelastung auf Profiniveau zu deutlich höheren Belastungsspitzen führt. Es ist daher nicht zulässig, die geringere Dauer des Spiel- und Trainingsbetriebs eines Profisportlers mit der 8-stündigen Arbeitsschicht sonstiger Arbeitnehmer in Relation zu setzen. Zudem liegt auch keine relevante belastungsunabhängige Vorschädigung vor. Insoweit steht es dem Anspruch des K grds. nicht entgegen, dass dieser bei einer Aufnahme des Handballsports im Kindesalter und nach Durchlaufen aller Jugendmannschaften bis zum Übergang in den Lizenzspielerkader bereits einer erheblichen Meniskusbelastung mit möglicherweise vorauseilenden Veränderungen unterlag.
LSG Baden-Württemberg PM vom 19.4.2021
Der im Jahr 1980 geborene Kläger K spielte seit 1991 Handball, zunächst als Jugendspieler und von Juni 2001 an als Bundesliga-Profispieler wöchentlich rund 20 Stunden bis zum Karriereende Mitte 2015. Im Juli 2004 wurde bei einer Kernspintomographie erstmals eine Innenmeniskusschädigung am rechten Knie festgestellt. Seinen Antrag vom September 2016, seinen Meniskusschaden als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen, lehnte die Berufsgenossenschaft (BG) ab: K habe seit Juni 2001 zwar eine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte und damit zu berücksichtigende gefährdende Tätigkeit als Handballspieler ausgeübt. Eine mehrjährige, zumindest 2-jährige Ausübung der belastenden Tätigkeit liege aber nicht vor. Denn der Verordnungsgeber lege insoweit eine vollschichtige Tätigkeit von 1.600 Stunden pro Jahr zugrunde. Für Personen, die wie K eine Teilzeittätigkeit ausübten, müsse daher eine Einwirkung von mindestens 3.200 Stunden (zwei Jahre mal 1.600 Stunden) nachgewiesen sein. Für die Beurteilung erheblich seien versicherte Zeiten bis zur ersten gesicherten Diagnose eines Meniskusschadens, hier also der Zeitraum Juni 2001 bis zum Auftreten der ersten degenerativen Veränderungen im Bereich des rechten Kniegelenks im Juli 2004. In diesem Zeitraum habe K aber lediglich versicherte Trainings- und Wettkampfzeiten im Umfang von 1.776 Stunden absolviert.
Die hiergegen gerichtete Klage beim SG blieb erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und festgestellt, dass der Innenmeniskusschaden im rechten Kniegelenk des K eine Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anl. 1 der BKV ist.
Die Gründe:
Für die Anerkennung einer BK Nr. 2102 (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) muss das Erscheinungsbild der Tätigkeit durch überdurchschnittliche Meniskusbelastungen geprägt sein. Hierfür bedarf es bei einem Profisportler weder einer bestimmten in Stunden zu berechnenden Mindesteinwirkungsdauer noch einer prozentualen Mindestbelastung.
Beim Handballsport werden die Kniegelenke durch schnelle Richtungsänderungen bei hohem Tempo, häufig auch mit unkontrolliertem Aufkommen auf dem Hallenboden bei Sprungwürfen, überdurchschnittlich belastet. K ist im Zeitpunkt der erstmalig nachgewiesenen Innenmeniskusschädigung am rechten Knie im Juli 2004 auch bereits 3 Jahre und daher mehrjährig überdurchschnittlich meniskusbelastend als versicherter Profihandballer tätig gewesen. Soweit die BG darüber hinaus eine Mindestbelastungsdauer von 3.200 Stunden verlangt, entbehrt dies sowohl einer gesetzlichen als einer wissenschaftlichen Grundlage.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass professionell betriebener Handballsport durch die Intensität der Trainings- und Spielbelastung auf Profiniveau zu deutlich höheren Belastungsspitzen führt. Es ist daher nicht zulässig, die geringere Dauer des Spiel- und Trainingsbetriebs eines Profisportlers mit der 8-stündigen Arbeitsschicht sonstiger Arbeitnehmer in Relation zu setzen. Zudem liegt auch keine relevante belastungsunabhängige Vorschädigung vor. Insoweit steht es dem Anspruch des K grds. nicht entgegen, dass dieser bei einer Aufnahme des Handballsports im Kindesalter und nach Durchlaufen aller Jugendmannschaften bis zum Übergang in den Lizenzspielerkader bereits einer erheblichen Meniskusbelastung mit möglicherweise vorauseilenden Veränderungen unterlag.