25.04.2019

Anspruch auf anteilmäßige Altersfreistellung bei Teilzeittätigkeit

Ansprüche auf Altersfreizeit können in tarifgebundenen Betrieben durch Betriebsvereinbarung nur dann auf vollzeitarbeitende Mitarbeiter beschränkt werden, wenn die jeweilige Tarifvereinbarung die Möglichkeit zu solchen Sonderabweichungen zulässt. Ob eine solche Abweichungsmöglichkeit besteht, ist im Zweifel im Wege der Auslegung zu bestimmen.

BAG v. 12.3.2019 - 1 AZR 307/17
Der Sachverhalt:
Der 60-jährige Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt. Seit einiger Zeit ist er als leitender Mitarbeiter der "Vertragsstufe 1" tätig. Die Beklagte ist an die Tarifverträge der chemischen Industrie gebunden, für den Kläger finden die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie (MTV Akademiker) Anwendung.

Unter anderem heißt es dort, dass Angestellte, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse Altersfreizeiten in Anspruch nehmen können. Ferner bestimmt eine "Gesamtbetriebsvereinbarung" (GBV), geschlossen von dem "Gesamtbetriebsrat" und dem Mutterkonzern der Beklagten, dass Altersfreizeiten ausgenommen sind, sobald eine individuelle Teilzeitvereinbarung getroffen wurde. Der Kläger arbeitet mit einem Umfang von 80 v.H. eines Vollzeitbeschäftigten.

Der Kläger beanstandet die Gewährung von Altersfreizeiten trotz seiner Teilzeittätigkeit, da die Regelung der GBV gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG verstoße.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das LAG rief die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision vor dem BAG blieb ebenfalls erfolglos.

Die Gründe:
Die Beklagte ist dazu verpflichtet, dem Kläger bezahlte Arbeitstage als Altersfreizeiten zu gewähren, mithin zur Zeit pro Jahr 4/5 von 12 Tagen Altersfreizeit bei Vollzeit, somit 9,6 Tage pro Jahr.

Der MTV Akademiker gewährt einen Anspruch auf Altersfreizeiten dem Grunde nach. Die Teilzeitbeschäftigung des Klägers steht seinem Anspruch auf Altersfreizeiten nicht entgegen. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Altersfreizeiten hängt laut Wortlaut der Norm nur vom Alter des Angestellten, nicht vom Umfang der zu leistenden Arbeitszeit ab. Soweit die Regelung ergänzend auf die "betrieblichen Erfordernisse" abstellt, vermögen diese nicht den generellen Ausschluss aller Teilzeitbeschäftigten vom Anspruch auf Altersfreizeit zu begründen.

Die Regelung der GBV zur Ausnahme von Teilzeitbeschäftigten von Altersfreizeiten ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, solange ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen nicht ausdrücklich zulässt. Die MTV Akademiker ermöglicht diesbezüglich lediglich nähere Regelungen zur Ausgestaltung der Altersfreizeiten, nicht jedoch eine von den tariflichen Vorgaben abweichende Bestimmung des im Grunde nach anspruchsberechtigten Personenkreises.

Linkhinweis:
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BAG Urteil vom 12.3.2019
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