Arbeitgeber muss Schadensersatz für wegen Quarantäne-Anordnung ausgefallene Hochzeitsfeier zahlen: Verletzung der Fürsorgepflicht
LAG München v. 14.2.2022 - 4 Sa 457/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz (nur) noch um Schadensersatz. Die Klägerin war 2020 bei der Beklagten als Immobilienwirtin beschäftigt. Der Geschäftsführer der Beklagten, Herr Z, kam am 10.8.2020 aus seinem Urlaub in Italien mit Erkältungssymptomen zurück, deren Stärke zwischen den Parteien streitig ist.
Am 18.8.2020 wie am 20.8.2020 fuhr er zusammen mit der Klägerin - beide ohne Mund-Nasen-Schutz - in einem Pkw zu zwei Eigentümerversammlungen, wobei die Fahrten jeweils 15-30 Minuten dauerten. Von einem Teilnehmer der ersten Eigentümerversammlung rückte er etwas ab und erklärte dazu, er habe aufgrund der Klimaanlage eine Erkältung und sich deswegen weiter weggesetzt.
Am 20.8.2020 wurde die Ehefrau des Geschäftsführers auf Corona getestet, nachdem bei ihr am selben Tag Grippesymptome aufgetreten waren, und am 23.8.2020 erhielt sie ein positives Ergebnis mitgeteilt. Der von ihrem Ehemann daraufhin am 24.8.2020 absolvierte Corona-Test war ebenfalls positiv.
Am 25.8.2020 ordnete das Gesundheitsamt ggü. der Klägerin, die infolge der Fahrt vom 20.8.2020 als Kontaktperson 1 von Herrn Z eingestuft wurde, eine Quarantäne bis 3.9.2020 an. Infolgedessen konnte die für den 29.8.2020 geplante kirchliche Trauung mit anschließender Hochzeitsfeier der Klägerin, zu der 99 Gästen eingeladen worden waren, nicht stattfinden.
Die Klägerin fordert den Ersatz der nutzlos aufgewendeten Kosten für die abgesagte Feier i.H.v. ca. 5.000 €. Das ArbG gab der Klage weitgehend statt. Das LAG wies nun die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Beklagte hat die ihr nach § 241 Abs. 2 BGB obliegende Fürsorgepflicht ggü. der Klägerin als ihrer Arbeitnehmerin durch ihren Geschäftsführer verletzt, indem dieser trotz Erkältungssymptomen seit seiner Rückkehr aus Italien am 18. und 20.8.2020 mit der Klägerin zusammen längere Zeit in einem Auto fuhr.
Damit verstieß sie gegen die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (in der Fassung vom 10.8.2020), nach deren Ziffer 4.2.1. die Arbeitsumgebung so zu gestalten war, dass Sicherheitsabstände von 1,5m eingehalten werden konnten, und jede Person bei Krankheitssymptomen zuhause bleiben sollte. Wenn Herr Z daher mit der Klägerin zusammen im Auto fuhr, missachtete er damit die von ihm zu sichernden Abstandsregeln; insofern hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass für derartige Fahrten ein Konzept gefehlt habe. Und indem er trotz Erkältungssymptomen zur Arbeit kam, wahrte er nicht die vorgegebenen Hygienevorschriften.
Die Pflichtverletzung war ursächlich für den entstandenen Schaden. Wäre der Geschäftsführer der Beklagten nicht ins Büro gekommen oder hätte er wenigstens den notwendigen Abstand zur Klägerin durch getrennte Autofahrten gewahrt, wäre gegen die Klägerin keine Quarantäneanordnung ergangen und die geplante Hochzeit samt Feier hätte stattfinden können.
Soweit die Beklagte darauf rekurriert ist, dass Herr Z vor dem 20.8.2020 nicht an Corona erkrankt sei, eine Gefährdungslage vor diesem Datum daher nicht bestanden habe, ist dies unbeachtlich, da die Pflichtverletzung (auch) in der mangelnden Einhaltung der Abstandsvorschriften durch die Arbeitgeberin liegt und insofern unabhängig von dem Umgang mit den Erkältungssymptomen des Geschäftsführers ist.
Mehr zum Thema:
Jusitz Bayern online
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz (nur) noch um Schadensersatz. Die Klägerin war 2020 bei der Beklagten als Immobilienwirtin beschäftigt. Der Geschäftsführer der Beklagten, Herr Z, kam am 10.8.2020 aus seinem Urlaub in Italien mit Erkältungssymptomen zurück, deren Stärke zwischen den Parteien streitig ist.
Am 18.8.2020 wie am 20.8.2020 fuhr er zusammen mit der Klägerin - beide ohne Mund-Nasen-Schutz - in einem Pkw zu zwei Eigentümerversammlungen, wobei die Fahrten jeweils 15-30 Minuten dauerten. Von einem Teilnehmer der ersten Eigentümerversammlung rückte er etwas ab und erklärte dazu, er habe aufgrund der Klimaanlage eine Erkältung und sich deswegen weiter weggesetzt.
Am 20.8.2020 wurde die Ehefrau des Geschäftsführers auf Corona getestet, nachdem bei ihr am selben Tag Grippesymptome aufgetreten waren, und am 23.8.2020 erhielt sie ein positives Ergebnis mitgeteilt. Der von ihrem Ehemann daraufhin am 24.8.2020 absolvierte Corona-Test war ebenfalls positiv.
Am 25.8.2020 ordnete das Gesundheitsamt ggü. der Klägerin, die infolge der Fahrt vom 20.8.2020 als Kontaktperson 1 von Herrn Z eingestuft wurde, eine Quarantäne bis 3.9.2020 an. Infolgedessen konnte die für den 29.8.2020 geplante kirchliche Trauung mit anschließender Hochzeitsfeier der Klägerin, zu der 99 Gästen eingeladen worden waren, nicht stattfinden.
Die Klägerin fordert den Ersatz der nutzlos aufgewendeten Kosten für die abgesagte Feier i.H.v. ca. 5.000 €. Das ArbG gab der Klage weitgehend statt. Das LAG wies nun die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Beklagte hat die ihr nach § 241 Abs. 2 BGB obliegende Fürsorgepflicht ggü. der Klägerin als ihrer Arbeitnehmerin durch ihren Geschäftsführer verletzt, indem dieser trotz Erkältungssymptomen seit seiner Rückkehr aus Italien am 18. und 20.8.2020 mit der Klägerin zusammen längere Zeit in einem Auto fuhr.
Damit verstieß sie gegen die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (in der Fassung vom 10.8.2020), nach deren Ziffer 4.2.1. die Arbeitsumgebung so zu gestalten war, dass Sicherheitsabstände von 1,5m eingehalten werden konnten, und jede Person bei Krankheitssymptomen zuhause bleiben sollte. Wenn Herr Z daher mit der Klägerin zusammen im Auto fuhr, missachtete er damit die von ihm zu sichernden Abstandsregeln; insofern hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass für derartige Fahrten ein Konzept gefehlt habe. Und indem er trotz Erkältungssymptomen zur Arbeit kam, wahrte er nicht die vorgegebenen Hygienevorschriften.
Die Pflichtverletzung war ursächlich für den entstandenen Schaden. Wäre der Geschäftsführer der Beklagten nicht ins Büro gekommen oder hätte er wenigstens den notwendigen Abstand zur Klägerin durch getrennte Autofahrten gewahrt, wäre gegen die Klägerin keine Quarantäneanordnung ergangen und die geplante Hochzeit samt Feier hätte stattfinden können.
Soweit die Beklagte darauf rekurriert ist, dass Herr Z vor dem 20.8.2020 nicht an Corona erkrankt sei, eine Gefährdungslage vor diesem Datum daher nicht bestanden habe, ist dies unbeachtlich, da die Pflichtverletzung (auch) in der mangelnden Einhaltung der Abstandsvorschriften durch die Arbeitgeberin liegt und insofern unabhängig von dem Umgang mit den Erkältungssymptomen des Geschäftsführers ist.
- AUFSATZ: Pandemiebedingte Nachweispflichten und arbeitsrechtliche Folgen von Verstößen, Wolfgang Kleinebrink, DB 2022, 392
- Beratermodul DER BETRIEB: Mit DER BETRIEB sind Sie top-informiert zu den wichtigsten Themen aus den Bereichen Steuer-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht sowie Betriebswirtschaft. Jetzt 4 Wochen gratis testen!