29.08.2017

Arbeitgeber müssen Pflegepersonal vor Überlastung schützen - Einigungsstellenspruch zur Mindestbesetzung kann zulässig sein

Ein Einigungsstellenspruch, der eine Mindestbesetzung von Pflegekräften in Abhängigkeit zur Belegungssituation vorsieht, ist nicht für sich genommen schon rechtswidrig. Die Vorgabe einer Mindestbesetzung ist eine Maßnahme, die grds. geeignet ist, der Gesundheitsgefährdung des Personals durch Überlastung zu begegnen.

ArbG Kiel 26.7.2017, 7 BV 67c/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt eine Klinik. Zwischen ihr und dem Betriebsrat kam es öfters zu Auseinandersetzungen über die Frage der Mindestbesetzung des Pflegediensts für bestimmte Stationen. Es wurde schließlich eine Einigungsstelle gebildet, um den Streit zu klären.

Die Einigungsstelle holte zur Klärung der konkreten Belastungs- und Gefährdungssituation der Pflegekräfte drei Gutachten ein. Dabei wurde festgestellt, dass sowohl die physische als auch die psychische Belastung grenzwertig seien und diese Grenze bei besonderen kritischen Ausnahmesituationen wie z.B. OP-Spitzen wahrscheinlich überschritten werde. Zusätzlich erhielt ein Gutachten, Aussagen darüber, welche Arbeitsbedingungen geeignet wären, Abhilfe zu schaffen.

Da keine Einigung erzielt werden konnte, erging schließlich ein Spruch, der eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Pflegekräften in Abhängigkeit zur Belegungssituation vorsah. Die Klägerin machte die Unwirksamkeit des Spruchs gerichtlich geltend. Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Einigungsstellenspruch, der eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Mindestanzahl von Pflegekräften in Abhängigkeit zur Belegungssituation vorsieht, ist nicht für sich genommen schon rechtswidrig.

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Dies gilt auch für Schutzmaßnahmen, um Gesundheitsschäden bei einer festgestellten, konkreten Gefährdungssituation des Personals zu vermeiden i.S.v. §§ 3 und 5 ArbSchG. Die Vorgabe einer Mindestbesetzung mit Pflegekräften ist zudem eine Arbeitsmaßnahme, die geeignet ist, der Gesundheitsgefährdung des Personals durch Überlastung zu begegnen.

Die Einigungsstelle darf durch Spruch, darüber entscheiden, wenn sich die Parteien wie im Streitfall nicht einig werden. Es liegt keine Rechtswidrigkeit vor, auch wenn der Arbeitgeber zu einer Personalbesetzung verpflichtet wird und er dadurch einen Eingriff in sein Grundrecht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 12 GG erleidet. Die Arbeitnehmer haben das Recht auf gesunde, sichere Arbeitsbedingungen sowie auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs.2 GG und aus Art. 31 der EU-Grundrechte-Charta. Das Recht auf unternehmerische Freiheit tritt dahinter zurück Dadurch ist der Eingriff gerechtfertigt. Da keine starre Mindestbesetzung vorgesehen ist, sondern eine in Abhängigkeit zur der konkreten Belegungssituation, sind zudem keine Ermessensfehler ersichtlich.

LAG Schleswig-Holstein PM Nr.4/2017 vom 23.8.2017
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