21.01.2019

Arbeitnehmer riskieren nur bei bewusst oder leichtsinnig falschen Gefährdungsanzeigen eine Abmahnung

Reicht eine Krankenpflegerin einer psychiatrischen Fachklinik ein ausgefülltes Formular "Gefährdungsanzeige zu Qualitätsmängeln (auch: Beschwerde gem. § 84 BetrVG)" ein, obwohl aus ihrer subjektiven Sicht lediglich eine abstrakte Gefahr bestand, rechtfertigt dies keine Abmahnung. Eine Pflichtverletzung kann nur vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer aus sachfremden Erwägungen oder geradezu leichtfertig eine Gefahr meldet, von der er annehmen musste, dass eine solche nicht vorlag.

LAG Niedersachsen v. 12.9.2018 - 14 Sa 140/18
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Entfernung einer von der Beklagten erteilten Abmahnung aus der Personalakte.

Die Beklagte betreibt zwei psychiatrische Fachkliniken. Die Klägerin arbeitete regelmäßig auf Station 5.2 in einer dieser Kliniken.

Der Pflegedienstleiter teilte sie für eine Schicht auf der der Klägerin unbekannten Station 5.1 ein. Vor Schichtbeginn meldete die Klägerin sich telefonisch beim Pflegedienstleiter und teilte ihm mit, dass sie die Besetzung nicht für ausreichend erachte. Während dieser Schicht füllte sie das Formular "Gefährdungsanzeige zu Qualitätsmängeln (auch: Beschwerde gem. § 84 BetrVG)" aus, in dem sie darauf hinwies, dass im Zweifelsfall Krisen der Patienten nicht erkannt werden könnten, da nahezu alle Patienten für sie und die zwei Auszubildenden auf der Station unbekannt seien. Es kam während der Schicht allerdings zu keinen konkreten Zwischenfällen.

Die Beklagte mahnte die Klägerin wegen der objektiv nicht gerechtfertigten Gefährdungsanzeige ab. Die Klägerin begehrte daraufhin die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten bestätigte das LAG die Entscheidung.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entfernung der zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte.

Ein Entfernungsanspruch ist insbesondere gegeben, wenn die Abmahnung auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht. Das ist hier der Fall. Die Beklagte hat der Klägerin vorgeworfen, leichtfertig von einer objektiv nicht vorhandenen Gefährdungslage ausgegangen zu sein. Die Klägerin konnte und durfte jedoch eine abstrakte Gefährdungslage subjektiv annehmen.

In der mündlichen Verhandlung schilderte die berufserfahrene Klägerin ihr Unbehagen nachvollziehbar und anschaulich. Es ist glaubhaft, wenn sie vorträgt, dass sie nicht habe ausschließen können, dass Patienten in ihren Krisen nicht erkannt werden würden und durch ihr eigenes Verhalten zu Schaden kommen könnten. Das gilt umso mehr, als dass sie lediglich von zwei nicht examinierten Auszubildenden unterstützt worden war.

LAG Niedersachsen Urteil vom 12.9.2018
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