02.12.2013

Arbeitsuchende EU-Ausländer haben Anspruch auf Hartz IV

Rumänen und andere EU-Bürger, die sich allein zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, können nach einem aktuellen Urteil des LSG NRW einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen ("Hartz IV") haben. Zwar schließt § 7 SGB II in diesem Fall staatliche Leistungen aus. Die Norm verstößt nach Auffassung des LSG aber gegen EU-Recht. Dieses erlaube lediglich leistungseinschränkende Regelungen, um Sozialtourismus zu vermeiden. Staatliche Leistungen dürften aber nicht - wie im SGB II - generell ausgeschlossen werden.

LSG NRW 28.11.2013, L 6 AS 130/13
Der Sachverhalt:
Bei den Klägern handelt es sich um eine rumänische Familie mit einem Kind. Sie wohnen seit 2009 in Gelsenkirchen und lebten zunächst von dem Erlös aus dem Verkauf von Obdachlosenzeitschriften und von Kindergeld. Ihren Antrag auf Grundsicherungsleistungen ("Hartz IV") lehnte das beklagte Jobcenter unter Berufung auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab. Hiernach sind Ausländer (und ihre Familien), deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, vom Bezug der Grundsicherungsleistungen ausgenommen.

Die hiergegen gerichtete Klage wies das SG ab. Auf die Berufung der Kläger hob das LSG diese Entscheidung auf und gab der Klage statt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ließ es allerdings die Revision zum BSG zu.

Die Gründe:
Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen. Der gesetzliche Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist europarechtswidrig.

Ein Leistungsausschluss in dieser ausnahmslosen Automatik widerspricht dem zwischen den EU-Staaten vereinbarten gesetzlich wirksamen Gleichbehandlungsgebot (Art. 4 Verordnung EU 883/2004). Zwar dürfen die Mitgliedstaaten nach der sog. Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38) einschränkende Regelungen vorsehen, um Sozialtourismus zu vermeiden. Dies ist aber nicht in einer derart unbedingten und umfassenden Form möglich, wie das SGB II es vorsieht.

Die Unionsbürgerrichtlinie verlangt eine gewisse Solidarität des aufnehmenden Staates Deutschland mit den anderen Mitgliedstaaten. Das erfordert nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Regelungen, die auf die individuellen Umstände abstellen und zumindest im Einzelfall ausnahmsweise Leistungen vorsehen. Dies bestätigt auch die jüngste EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 19.9.2013 - Rs. C-140/12).

LSG NRW PM vom 29.11.2013
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