18.07.2011

Auch diffamierende "Büro-Romane" sind von Kunstfreiheit gedeckt - Keine Kündigung

Schreibt ein Arbeitnehmer einen sog. Büro-Roman, der deutliche Parallelen zum Unternehmen und den dort tätigen Personen aufweist, so liegt hierin regelmäßig kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Der Arbeitnehmer kann sich insoweit auf die Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG berufen. Das gilt selbst dann, wenn der Romane beleidigende oder sexistische Äußerungen in Bezug auf Romanfiguren enthält, die als tatsächlich existierende Personen identifizierbar sind.

LAG Hamm 15.7.2011, 13 Sa 436/11
Der Sachverhalt:
Der 51 Jahre alte Kläger ist seit über zehn Jahren bei der Beklagten, einer Küchenmöbel-Herstellerin mit über 300 Arbeitnehmern, als Sachbearbeiter im Vertrieb beschäftigt. Er verfasste einen sog. Büro-Roman mit dem Titel "Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht". Der Roman ist aus der Perspektive eines Ich-Erzählers geschrieben. Weitere Protagonisten sind
  • der Rauschgift konsumierende Kollege "Hannes" ("...hat alles geraucht, was ihm vor die Tüte kam."),
  • die Kollegin "Fatma", über die es heißt, sie "erfülle so manches Klischee, was man allgemein von Türken pflegt: ihre krasse Nutzung der deutschen Sprache und auch ihr aufschäumendes Temperament. Leider steht ihr Intellekt genau diametral zu ihrer Körbchengröße" und
  • der Junior-Chef "Horst", der wie folgt beschrieben wird: "Er ist ein Feigling! Er hat nicht die Eier, jemandem persönlich gegenüberzutreten, dafür schickt er seine Lakaien".

Der Kläger bot das Buch Ende Oktober 2010 während der Arbeitszeit Kollegen zum Kauf an. Die Arbeitgeberin sprach daraufhin am 10.11.2010 eine fristlose Kündigung aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg. Das LAG ließ allerdings die Revision zum BAG zu.

Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht wirksam gekündigt.

Der Kläger kann sich auf die Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG berufen. Insoweit besteht die Vermutung, dass es sich bei dem Roman nicht um eine - mit einem Tagebuch vergleichbare - Schilderung tatsächlicher Gegebenheiten handelt, sondern um eine fiktionale Darstellung.

Etwas anderes kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur gelten, wenn alle Eigenschaften einer Romanfigur dem tatsächlichen Vorbild entsprechen. Dies konnte im Streitfall nicht festgestellt werden, zumal die Beklagte betont hat, die im Roman überspitzt gezeichneten Zustände spiegelten nicht die realen Verhältnisse im Betrieb wider.

LAG Hamm PM Nr. 24 vom 15.7.2011
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