Auch schuldunfähigen Arbeitnehmern kann fristlos verhaltensbedingt gekündigt werden
LAG Schleswig-Holstein 9.6.2011, 5 Sa 509/10Der 52-jährige Kläger war seit über 20 Jahren bei der Beklagten als Sachbearbeiter beschäftigt. Nach der Trennung von seiner Familie erlitt er einen psychischen Zusammenbruch und war deshalb mehrere Monate arbeitsunfähig.
Als der Kläger wieder arbeitsfähig war, fiel er mehrmals wegen anzüglicher Bemerkungen gegenüber dem weiblichen Personal auf. Am 10.2.2010 wurde er abgemahnt, weil er seine Vorgesetzte mit den Worten beleidigt hatte: "Besser eine Frau mit Charakter, als drei Schlampen". Am 25.2.2010 forderte der Kläger seine Kollegen auf, trotz der Mittagspause zu bleiben, da er gleich eine "Bombe platzen" lassen würde. Als seine Vorgesetzte erschien, behauptete er, dass diese die Nacht bei einem Geschäftspartner verbracht habe. Er habe ihr Auto gesehen und sie, die Vorgesetzte, wisse ja, dass der Mann HIV positiv sei und was sie sich damit jetzt eingefangen habe.
Die Beklagte kündigte dem Kläger aufgrund dieses Vorfalls fristlos. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, dass er manisch-depressiv sei und auch am 25.2.2010 schuldlos gehandelt habe. Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam fristlos gekündigt. Dabei kann offenbleiben, ob die Vorgesetzte tatsächlich bei dem Geschäftspartner übernachtet hat. Denn aufgrund der konkreten Umstände und der süffisanten Diktion der Unterstellungen hat der Kläger seine Vorgesetzte grob beleidigt. Er hat nicht nur eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern wollte die Vorgesetzte gezielt bloßstellen, indem er vermeintliche Intimitäten in deren Anwesenheit den Kollegen gegenüber preisgibt.
Der Kläger ist auch bereits einschlägig abgemahnt worden. Darüber hinaus setzt eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung zwar grds. ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Im Streitfall war es der Beklagten aber selbst bei Schuldunfähigkeit des Klägers nicht zumutbar, die durch die groben, sexuell gefärbten Beleidigungen verursachte erhebliche Störung des Betriebsfriedens und der betrieblichen Ordnung auch künftig hinzunehmen.