03.02.2012

Auf Bohrplattformen beschäftigte Arbeitnehmer unterliegen dem EU-Recht

Arbeitnehmer, die auf einer Bohrplattform beschäftigt sind, die sich im Meer auf dem an einen Mitgliedstaat angrenzenden Festlandsockel befindet, unterliegen grds. dem EU-Recht. Dieses wird verletzt, wenn die Teilnahme am System der sozialen Sicherheit (hier: Pflichtversicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit) nicht nur von einer Tätigkeit in dem Mitgliedstaat abhängt, sondern auch davon, dass der Arbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat seinen Wohnsitz hat.

EuGH 17.1.2012, C-347/10 ("Salemink")
Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens war seit 1996 auf einer Bohrplattform in der Nordsee beschäftigt, die sich auf dem an die Niederlande angrenzenden Festlandsockel in einer Entfernung von ungefähr 80 km von der niederländischen Küste befindet. 2004 verlegte er seinen Wohnsitz von den Niederlanden nach Spanien. Bis zu diesem Wohnsitzwechsel war er insbesondere für den Fall der Arbeitsunfähigkeit in den Niederlanden pflichtversichert. Nach seinem Umzug war er von der Pflichtversicherung ausgeschlossen, da diese neben einer Beschäftigung in den Niederlanden auch einen dortigen Wohnsitz voraussetzt.

2006 erkrankte der Kläger und verlangte nach niederländischem Recht Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit. Sein Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass er seit seinem Wegzug nach Spanien nicht mehr pflichtversichert sei und daher keine Leistungen beanspruchen könne.

Das mit der Klage befasste niederländische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die u.a. an den Wohnsitz anknüpfende niederländische Regelung der sozialen Pflichtversicherung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH verneinte dies.

Die Gründe:
Die streitige Regelung ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar.

Das Unionsrecht ist hier anwendbar. Arbeitnehmer, die auf Gasbohrplattformen beschäftigt sind, die sich im Meer auf dem an einen Mitgliedstaat angrenzenden Festlandsockel befinden, üben grds. eine dem Unionsrechtsrecht unterliegende Tätigkeit aus. Denn eine auf Bohrplattformen im Rahmen der Erforschung und/oder der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verrichtete Arbeit ist für die Anwendung des Unionsrechts als eine im Hoheitsgebiet dieses Staates verrichtete Arbeit anzusehen.

Das Unionsrecht untersagt es, Arbeitnehmern nach der Verlegung ihres Wohnsitzes vom System der Pflichtversicherung auszuschließen. Denn in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ist ausdrücklich geregelt, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt, "und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt".

Die streitige Regelung verstößt zudem gegen die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, da sie gebietsfremde Arbeitnehmer in Bezug auf ihre soziale Sicherung in den Niederlanden in eine ungünstigere Lage versetzt als die gebietsansässigen Arbeitnehmer.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des EuGH veröffentlicht.
  • Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
EuGH PM Nr. 1/12 vom 17.1.2012
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