25.10.2018

Ausschluss einzelner Arbeitnehmer vom Schutz gegen den Missbrauch befristeter Arbeitsverträge nicht mit Unionsrecht vereinbar

Die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge steht einer nationalen (hier: italienischen) Regelung entgegen, die die Anwendung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen ausschließt, mit der der missbräuchliche Rückgriff auf mehrere aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge durch die automatische Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geahndet wird, wenn es in dem Mitgliedstaat keine andere wirksame Sanktion gegen diese festgestellten Missbräuche gibt.

EuGH 25.10.2018, C-331/17
Der Sachverhalt:

Die Klägerin war von 2007 bis 2011 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Stiftung Opernhaus Rom als Balletttänzerin beschäftigt. 2012 beantragte sie beim Gericht in Rom feststellen zu lassen, dass die in diesen Verträgen festgelegten Bedingungen rechtswidrig sind. Zudem beantragte sie, ihr Arbeitsverhältnis in einen unbefristeten Vertrag umzuwandeln. Das Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass die nationale Sonderregelung für Stiftungen für Oper und Orchester die Anwendung der allgemeinen Vorschriften über Arbeitsverträge auf diese ausschließe und daher der Umwandlung der von der Stiftung geschlossenen Arbeitsverträge in unbefristete Arbeitsverhältnisse entgegenstehe.

Das mit dem Rechtsstreit in der Berufungsinstanz befasst Berufungsgericht Rom fragte den EuGH, ob die am 18.3.1999 geschlossene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der RL 1999/70/EG vom 28.6.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Tätigkeitsberiech der Stiftungen für Oper und Orchester von der Anwendung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen ausschließt, mit der der missbräuchliche Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge durch die automatische Umwandlung des befristeten Vertrags in einen unbefristeten geahndet wird, wenn das Arbeitsverhältnis über einen bestimmten Zeitraum hinaus andauert.

Der EuGH erklärte, dass die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge einer solchen nationalen Regelung entgegensteht, wenn es in dem Mitgliedstaat keine andere wirksame Sanktion gegen die in diesem Bereich festgestellten Missbräuche gibt.

Die Gründe:

Die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge sieht Mindestschutzbestimmungen vor, mit denen die Prekarisierung der Beschäftigten verhindert werden soll. Die Mitgliedstaaten müssend daher mindestens eine der von der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen ergreifen, verfügen aber insoweit über ein Ermessen und haben die Möglichkeit, die besonderen Anforderungen spezifischer Branchen und/oder bestimmter Arbeitnehmergruppen zu berücksichtigen.

Die streitgegenständliche italienische Regelung sieht jedoch keine in der Rahmenvereinbarung genannte Begrenzung in Bezug auf die maximal zulässige Dauer der Verträge oder der Zahl ihrer Verlängerungen vor. Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Einsatz von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Die Rahmenvereinbarung schützt Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie bei einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber tätig sind. Die Tatsache, dass Italien in dem Bereich traditionell befristete Arbeitsverträge verwendet, entbindet ihn nicht von der Einhaltung der Pflichten der Rahmenvereinbarung. Haushaltserwägungen können dies ebenfalls nicht rechtfertigen. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass ein vorübergehender Bedarf des Arbeitgebers vorhanden ist, der die befristeten Verträge rechtfertigt.

Die Rahmenvereinbarung stellt zwar keine allgemeine Verpflichtung der Mitgliedstaaten auf, die Umwandlung in einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Ahndung des Missbrauchs befristeter Verträge vorzusehen. Aber wenn die nationale Regelung diese Art von Sanktion in einem bestimmten Bereich untersagt, muss es in diesem Bereich eine andere wirksame Maßnahme geben, um die missbräuchliche Anwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu verhindern und ggf. zu ahnden. Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob es eine solche Maßnahme gibt und ob sie hinreichend effektiv, abschreckend und verhältnismäßig ist, um den Zweck der Rahmenvereinbarung sicherzustellen. Gibt es keine andere effektive Maßnahme in der nationalen Regelung, sind die nationalen Gericht verpflichtet, das innerstaatliche Recht so auszulegen, dass der Missbrauch angemessen geahndet wird, z.B. in dem sie die von den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften vorgesehene Sanktion, die automatische Umwandlung in einen unbefristeten Arbeitsvertrag, anwenden.

Linkhinweis:

Für den demnächst auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 160/2018 vom 25.10.2018
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